Hungerlöhne am Rande Europas (CCC-Broschüre)

Boulevard Stefan Cel Mare, früher bekannt als Leninallee, bildet das repräsentative Zentrum von Chisinau, Hauptstadt der Republik Moldau. Zwischen den Regierungsgebäuden im Norden und den Hoteltürmen am südlichen Ende der Straße drängen sich alle wichtigen Institutionen, Geschäftsvertretungen und Boutiquen namhafter Marken wie Boss, Adidas, Puma. Wer was werden will bzw.

Bekannt für bunte Hunde, (jungle world, 12.10.05)

Waschen, Föhnen, Schneiden, Färben: Ein Hundesalon in Neukölln hat mehr zu bieten als die klassische Pudelfrisur.
Bonsai trägt mintgrün. Diva sieht aus wie ein zu kleines Pony mit ihrer langen Mähne, den längeren Haaren an den Pfoten und dem ansonsten kurz rasierten Fell. Bonsai und Diva sind Pudel, das sieht auch der Laie auf den ersten Blick. Dennoch ist ihr Äußeres ungewöhnlich. „Ich habe es mir auf die Fahne geschrieben, nicht nur den klassischen Pudelschnitt zu schneiden“, erklärt Silke Willumeit das Aussehen ihrer Hunde. In ihrem Salon ist fast alles möglich. Hunde aller Rassen werden hier gewaschen, geföhnt und geschoren. Und eben auch gefärbt, mit Lebensmittelfarben aus dem Konditoreibedarf.

Missstände, wohin man schaut (CCC-Broschüre)

Rumäniens wichtigste Abnehmer sind Deutschland und Italien. Rumänien ist der größte europäische Exporteur von Bekleidung nach Deutschland und überholte im letzten Jahr Polen. Die Arbeitsbedingungen in der Branche sind im Gegensatz dazu jedoch unmenschlich.

Gefühlte Kanzlerschaft

TV-Duell: Wer hat denn nun wirklich gewonnen?

Es war ein Novum in der Fernsehgeschichte: Für 90 Minuten wurden die vier größten öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsender zusammengeschaltet, um die Konkurrenten um das Kanzleramt im direkten Vergleich zu erleben. Fast 21 Millionen Menschen sahen zu. Zu größeren Aufregungen kam es dabei nicht, mehr oder weniger solide spulten die Kontrahenten ihren Part herunter. Doch kaum war die Sendung beendet, ging das Gerede erst richtig los.

Das versteckte Erbe des Kolonialismus

Einst Experimentierfeld für fragwürdige Menschenversuche, ist die Disziplin auch heute noch immer europäisch geprägt

Vor ungefähr hundert Jahren wütete zunächst in West-, später in Ostafrika eine Schlafkrankheitsepidemie, die Hunderttausende von Toten forderte. Die Infizierten boten der Tropenmedizin, einer damals noch neuen wissenschaftlichen Disziplin, ein willkommenes Experimentierfeld. An der „Therapie“ dieser noch immer bedrohlichen Krankheit lässt sich auch das Verhältnis der westlichen Medizin zu den ihr bis heute fremden Patienten ablesen.

Bauernopfer im Goldenen Dreieck (iz3w, Nr. 285, 06/05)

Die Anti-Drogen-Programme der UN führen in Burma zu sozialer Not

Eigentlich sollen so genannte Alternative Entwicklungsprogramme der Vereinten Nationen (UN) in Südostasien die Opiumproduktion durch legale Agrarprodukte ersetzen helfen. Im Shanstaat in Burma, einem der wichtigsten Anbaugebiete für Schlafmohn, entfaltet sich durch den Opiumbann jedoch zunehmend eine humanitäre Krise. Die UN kann kaum mehr die Folgen ihrer eigenen Anti-Drogen-Politik abfedern.

(Am Ende findet sich ein Abschnitt zum Hintergrund der „Militärdiktatur in Burma“)

„Sie werden sehen, wie das eine soziale Übel durch ein anderes soziales Übel ersetzt wird. Wenn jemand kein Einkommen mehr durch das Opium hat, wird er vielleicht seine hübsche 14-jährige Tochter fragen, ob sie nach Thailand geht und dort in einem Bordell arbeitet“. Mit diesen resignierten Worten beschrieb der Chef des UN-Büros für Drogen und Kriminalität (UNODC) in Burma, Jean-Luc Lemahieu, bereits Ende 2003, was aus der Durchsetzung des Opiumbanns im Shanstaat in Burma folgen könnte.

Der Shanstaat im Osten Burmas ist einer der sieben Minderheiten-Staaten des Landes. Nach dem Waffenstillstand mit der burmesischen Regierung hat sich die ehemaligen aufständische United Wa State Army (UWSA), die einst für ein kommunistisches Burma kämpfte, in der autonomen „Sonderregion 2“ eingerichtet. Dieses Gebiet an der Grenze zur chinesischen Provinz Yunnan nimmt ungefähr ein Sechstel des gesamten Shanstaates ein.

Der Shanstaat stößt im Süden an Thailand, nach Laos ist der Mekong die natürliche Grenze. Dies ist das so genannte Goldene Dreieck, benannt nach den Goldbarren, die einst bevorzugtes Zahlungsmittel waren. Seit Ende des 19. Jahrhunderts wird hier Schlafmohn angebaut und das daraus gewonnene Opium gehandelt. Der Mohn wächst insbesondere in den Höhenlagen ab 1500 bis 2000 Metern. An den Hängen wird Schwendwirtschaft (slash-and-burn) betrieben: höherer Bewuchs wird abgehakt und das Feld vor der Saat abgebrannt, Wurzeln werden im Erdreich gelassen. Während der Regenzeit (April bis September) wird Trockenreis angebaut. Danach wird der lukrative Schlafmohn angebaut. Die Aussaat erfolgt im September und Oktober, die Ernte im Februar und März.

Im nordöstlichen Teil des Shanstaats wird die „Sonderzone 1“ von der Kokang-Minderheit regiert. Sie haben den Opiumbann bereits durchgesetzt. Dorthin muss das World Food Programm der UN schon Nothilfe durch Nahrungsmittellieferungen leisten. Zum 26. Juni 2005, dem internationalen Tag gegen Drogenmissbrauch und -schmuggel, will die benachbarte UWSA ihre eigene Sonderzone opiumfrei sehen.


Im Banne des Opiums

Der Opiumbann kommt viel zu schnell und zu früh für die Bauern und Bäuerinnen, deren einziges „cash crop“ die Schlafmohnpflanze ist. 100.000 von ihnen will die Wa-Führung umsiedeln, über 40.000 sollen bereits an die Grenze nach Thailand gebracht worden sein. Viele von ihnen kehren aber zurück oder ziehen in andere Gegenden Burmas, um dort weiter Opium anzubauen, heißt es. Die umgerechnet 150 bis 300 Dollar zusätzlichen Einkommens durch den Verkauf des Rohopiums sind für die MohnanbauerInnen überlebensnotwendig. Dreiviertel der Wa in der Sonderegion 2 leiden bis zu sechs Monate im Jahr an Reisknappheit. Mit dem Opiumgeld können sie Nahrungsmittel kaufen, Kleidung und Medikamenten und das Schulgeld für die für die Kinder bezahlen.

Zur Kompensation der Einnahmenverluste durch den Opiumbann wurden vor Ort Alternative Entwicklungsprojekte (AE) eingerichtet. Die UN selbst startete 1998 ein Programm für 40.000 Personen in fünf Gemeinden. Ein weiteres Projekt wird von der thailändischen Regierung finanziert. Beispielsweise versucht man zweimal im Jahr Reis zu ernten, indem Bewässerungstechniken und besseres Saatgut eingeführt werden. Große Gummibaum-Plantagen oder etwa Macadamia-Nüsse für den Export nach China, sollen das Opium als Handelsgut ersetzen. Weitere Bestandteile der Projekte sind beispielsweise der Bau von Straßen und Aufbau einer Trinkwasserversorgung. In der Sonderregion 2 arbeiten auch die deutschen Maltester, die France´s Aide Médicale und andere NGOs. Das Problem ist, das die langfristigen Bemühungen durch den Opiumbann von den lokalen Machthabern, der UWSA, torpediert werden, die auf gewaltsame Vernichtung der Vernichtung der Drogenfelder setzten.

Nach wie vor gilt Burma als weltweit zweitgrößter Produzent von Opium, dem Grundstoff für Heroin. Das UNODC sieht seit Jahren einen stetigen Rückgang von Anbaufläche und Ernte. Für 2003 nimmt es eine Opiumproduktion zwischen 560 und 1.060 Tonnen an; 2004 sollen es sogar nur noch 370 Tonnen gewesen sein. 1996 seien es 2.500 Tonnen gewesen. Den Umfang der Opiumernte zu erfassen, ist jedoch nur sehr ungenau möglich. Der Ertrag eines Hektars kann zwischen 4 bis über 30 Kilogramm liegen, je nach Bodenbeschaffenheit, Lage des Feldes, Saatgut und Witterungsverhältnissen. Die USA führen mit eigenen Satelliten Messungen durch, deren Ergebnisse für die vergangenen Jahre sogar niedriger liegen als die der UN. Diese lässt einen Bericht (Opiumsurvey) durch Teams erstellen, die einen kleineren Teil der Dörfer in den bedeutendsten Anbaugebieten besuchen. Bauern werden über die Ernte und die Marktsituation befragt, Opiumfelder und Pflanzen vermessen. 240.000 Familien, so die UN, bauten 2004 im Shanstaat Opium an.


Zweifelhafte Erfolgsmeldungen…

Die von Thailand aus arbeitende regimekritische Gruppe Shan Herald Agency for News (SHAN) hat die Ergebnisse des zweiten UN-Opiumsurveys von 2003 in Frage gestellt. Ihren Erkenntnissen nach sei die Opiumanbaufläche im Shanstaat bis zu viermal so groß wie von UNODC behauptet. Dabei stützt SHAN sich auf eigene Umfragen und verweist darauf, dass die Teams der UN meistens von burmesischen Regierungsangestellten bestehen oder mindestens von einem begleitet werden. Ehrliche Antworten der Bauern seien in diesen Fällen nicht zu erwarten. Sie würden nur einen Teil ihrer Felder zeigen, da sie Angst vor Repressionen hätten. Außerdem hätten sich besagte Teams nur entlang der Straßen und kaum ins unwegsame Hinterland bewegt. Nach Ansicht von SHAN benutzt das Regime in der Hauptstadt Yangon die Erfolgsmeldungen von UNODC nur dazu, um internationale Anerkennung zu erlangen. Die Bauern im östlichen Shanstaat müssten dafür herhalten, weil dort keine Interessen von Gruppen berührt werden, mit denen das Militärregime einen Waffenstillstand geschlossen hat.

Tatsächlich sind Zweifel an den Erhebungen seitens der internationalen Drogenkontrollbehörden in Burma angebracht. Es gibt Hinweise, dass sich der Mohnanbau schon längst nicht mehr auf den Shanstaat konzentriert – die UN glaubt, dass sich dort 90 Prozent der Anbauflächen Burmas befinden – sondern sich über das ganze Land ausgebreitet hat. Die Mohnfelder können so klein sein oder an derart steilen Hängen liegen, dass die Auflösung der Kameras in den Satelliten sie gar nicht eindeutig erfassen könnte. Von der thailändischen Grenze wird zudem berichtet, dass der Preis für Heroin relativ stabil geblieben sei. Kein Indiz für eine sinkende Ernte, wenn man annimmt, dass die Nachfrage gleich geblieben ist.


…und fragwürdige Rolle der UN

Auf einer Sondersitzung der UN-Vollversammlung (UNGASS) ist 1998 beschlossen worden, den illegalisierten Schlafmohn- und Kokaanbau bis 2008 weltweit zu „eliminieren oder signifikant zu reduzieren“. Die Staatengemeinschaft ist von diesem Ziel jedoch so weit entfernt wie eh und je. Selbst wenn in Burma tatsächlich die Opiumproduktion verringert wurde, lässt dies den Heroin-Weltmarkt anscheinend unberührt. Preis und Reinheitsgrad von Heroin unterliegen kaum Schwankungen. Afghanistan versorgt Russland und Europa, Burma liefert nach wie vor an China und andere südostasiatische Staaten. Von dort aus geht die Ware nach Australien und in die USA. Nordamerika wird aber verstärkt auch von neuen Mohnplantagen in Mexiko und Kolumbien versorgt.

Das in Burma nach wie vor weithin verfügbare Heroin hat, auch es wenn die Labore im Goldenen Dreieck in äußerster Reinheit verlässt, schlimme Folgen mit sich gebracht: Zwischen 150.000 und 250.000 Heroinkonsumenten soll es in Burma geben, vornehmlich entlang der Drogenhandelsrouten. Meist wird die Droge injiziert. Die Benutzung von mehrfach gebrauchten Spritzen ist dabei üblich, nicht zuletzt, weil die rigide Drogengesetzgebung für den Besitz einer sterilen Spritze ohne Lizenz Strafen von bis zu einem halben Jahr Gefängnis vorsieht. Bereits im Jahr 2000 ging man davon aus, dass über 60 Prozent der burmesischen Konsumenten HIV-positiv waren. Über eine halbe Millionen Erwachsene und Kinder sollen im selben Jahr infiziert gewesen sein. UNAIDS rechnet mit jährlich über 50.000 Aids-Toten.

Es deutet einiges darauf hin, dass nahezu alle Ebenen der burmesischen Militärhierarchie am Drogenhandel beteiligt sind – durch Handaufhalten, Wegsehen, Steuererhebung auf Anbau und Handel bis hin zum Transport und aktiven Handel. Die UWSA wiederum wurde seitens der USA als größten Drogenorganisationen der Welt bezeichnet. Sieben ihrer Führer werden von den USA steckbrieflich gesucht. Der prominenteste von ihnen, Maha Sang, auf den ein Kopfgeld von zwei Millionen Dollar ausgesetzt war, wurde kürzlich in Nordthailand festgenommen.

Beobachtet man den Boom des Marktes von Amphetamine-Type-Stimulants (ATS) in Südost- und Ostasiens seit Ende der 80iger-Jahre, liegt es nahe, dass ehemals aufständische Gruppen in Burma den Heroinmarkt – und damit auch der Opiumanbau – zu Gunsten der Speedpillen aufgeben. So vermutet die UN, dass etwa 700 Mio. Stück der Pillen pro Jahr von Burma aus nach Thailand geliefert werden, wo sie Yaa Baa, verrückte Medizin, genannt werden. Der Marktspreis für eine Pille liegt zwischen 50 US-Cent bis zwei Dollar. Die Produktion der Droge kann nahezu mit haushaltsüblichen Mitteln erfolgen und ist damit unauffälliger, flexibeler und dezentraler zu organisieren, als der Opiumanbau. Die Durchsetzung des Opiumbanns der UWSA dient dazu, das Verhältnis mit der mit der burmesischen Regierung zu pflegen. Beide Waffenstillstandpartner haben ein Interesse daran das Image des Drogendealers loszuwerden. Yaa Baa ist weiterhin ein regionales Symptom, der Heroinmarkt erreicht die Industrieländer und erhält entsprechend mehr Aufmerksamkeit.

Burma hat sich dem gemeinsamen Ziel der südostasiatischen Länder angeschlossen, bis 2015 „drogenfrei“ sein zu wollen. Dass im Shanstaat nun repressiv vorgeprescht wird, um sich als Musterschüler zu profilieren, ist ein Dilemma für UNODC. Denn damit wird nicht gerade verwirklicht, was die UN mit ihren Entwicklungszielen erreichen will. An diesem Dilemma ist die UN-Organisation allerdings nicht unschuldig, hat sie doch an der Ausarbeitung der Drogenstrategie des Militärregimes mitgearbeitet.

In Burma funktioniert das Konzept Alternative Entwicklung noch schlechter als in anderen Opium- oder Kokaanbauregionen. Eigentlich will AE hauptsächlich mit positiven Anreizen für die Anbauer der Drogenpflanzen arbeiten: internationale Organisationen stellen zusammen mit NGOs den Abschied von ökonomischer Armut in Aussicht, versprechen Fortschritt und irgendwann einmal sogar Wohlstand. Nur im Ausnahmefall ist vorgesehen, auf Repression zurückzugreifen, also auf Feldervernichtung, Gefängnis und Vertreibung. Das erledigen dann in der Regel die Sicherheitskräfte des jeweiligen Partnerlandes.


Ein legaler Ausweg

Aber muss sich eine UN-Institution wundern, dass der burmesische Staat bereit ist, im wahrsten Sinne des Wortes ein Bauernopfer zu bringen? Sie weiß genau, dass sie mit einer Diktatur zusammenarbeitet, die seit Jahrzehnten demonstriert, wie unwichtig ihr die eigene Bevölkerung und vor allem die Minderheiten sind. Auf Druck der UN wird der einzige weltmarkttaugliche Landwirtschaftszweig in Burma aufgrund der Ideologie, dass bestimmte Drogen für den Privatgebrauch verboten sind, aufgegeben. Die Problematik des Drogenmissbrauchs löst die UN durch ihr Vorgehen gegen die MohnbauerInnen ohnehin nicht. Der wachsenden Produktion von synthetischen Drogen stehen die UN hilflos gegenüber. Die Kontrolle der chemischen Grundstoffe für die Herstellung von Yaa-Baa-Pillen, aber auch von Heroin, funktioniert nicht.

Wäre UNODC tatsächlich an einer nachhaltigen Verbesserung der Situation von MohnanbauerInnen interessiert, würde sie dafür eintreten, den Anbau in Afghanistan (4.200 Tonnen Opiumernte laut UNODC), Burma (370 t) und Laos (43 t) zu legalisieren. Ein sofort gangbarer Weg: Nach jetziger internationaler Drogengesetzgebung ist der Anbau für medizinische Zwecke erlaubt, etwa zu Herstellung von Morphium und Codein. Der legale Opiummarkt dürfte mit über 5.000 Tonnen pro Jahr mittlerweile größer sein als der illegalisierte (siehe Bericht des Internationalen Suchtstoffkontrollrat (INCB) „Narcotics Drugs – Estimated World Requirements for 2004“). Die größten Anbauländer legalen Opiums waren im Jahr 2002 Australien (2.300 Tonnen), Frankreich (1.100 t), die Türkei (1.000 t), Indien (550 t) und Spanien (450 t). Warum sollte nicht ein traditionelles Anbauland wie Burma an diesem Geschäft teilhaben?

 

 

 

Kasten:

Militärdiktatur in Burma

Seit über vierzig Jahren herrscht Bürgerkrieg in Burma. Bis heute ist die Situation verfahren, nicht zuletzt wegen der ethnischen Spaltung des Landes. Rund 70 Prozent der heute ca. 50 Millionen Einwohner des Staates gelten als Burmesen. Die anderen 30 Prozent setzen sich aus etlichen ethnischen Minderheiten zusammen, die meistens in den Höhenlagen der Berge siedeln (so genannte Hilltribes). Darunter bilden die Shan, die Karen und die Mon die größten Gruppen.

1948 wurde Burma unabhängig von den britischen Kolonialherren, 1962 begann mit einem militärischen Coup die Einparteienherrschaft der Burmesische Sozialisitisches Programm Partei (BSPP)“. In den von den Minderheiten besiedelten Regionen außerhalb Zentralburmas traten verschiedene bewaffnete Gruppen gegen die Regierung in Yangon in den Aufstand. Eine Rolle spielte auch die von China unterstützte Kommunistische Partei Burmas. Gleichzeitig agierten auch die Nationalchinesen der Kuomitang , die sich 1949 nach dem Sieg der chinesischen Kommunisten nach Burma zurückgezogen hatten, Von dort aus versuchten sie Yunnan zurückzuerobern. Um ihren Krieg zu finanzieren, setzten die Kuomitang wie andere aufständische Gruppen auf Opiumproduktion und Heroinhandel.

1988 wurden Großdemonstrationen für Demokratie blutig niedergeschlagen. Das Militär bildete den „State Law and Order Restoration Council“ (SLORC) und begann Waffenstillstände mit aufständischen Gruppen zu schließen. 1990 erkannte SLORC das Ergebnis der ersten freien Wahlen nicht an. Eindeutig hatte Nationale Liga für Demokratie (NLD) gewonnen. Zahlreiche Oppositionelle wurden verhaftet. Aung San Suu Kyi, die Führerin der NLD, 1991 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, sitzt seit 1989 mit kurzen Unterbrechungen im Hausarrest.

1989 war auch das Jahr, in dem SLORC Burma in Myanmar umbenannte, weil Burma der britische Kolonialname sei. Die Vereinten Nationen erkennen den Namen Myanmar an, während die oppositionelle NLD die Namensänderung ablehnt, da sie undemokratisch zu Stande gekommen sei.1997 nannte sich SLORC selbst in „State Peace and Development Council“ (SPDC) um.

Die ASEAN (Association of Southeast Asian Nations) hat Burma im Juli 1997 in seine Reihen aufgenommen. und ist dementsprechend zurückhaltend in der Kritik an der fatalen Menschenrechtsituation. 2006 übernimmt Burma voraussichtlich für ein Jahr den Vorsitz des Wirtschaftsverbandes. EU und USA versuchen durch wirtschaftliche Sanktionen und Boykotte Druck auf das Regime auszuüben. Entwicklungsgelder fließen nur zurückhaltend und ausschließlich für Projekte der Grundsicherung von Ernährung und Gesundheit. Vor allem die USA knüpfen generell die Vergabe ihrer Entwicklungsgelder daran, inwiefern sich die jeweilige Staatsregierung im Einklang mit der internationalen Drogenprohibition verhält. Um wenigstens auf diesem Gebiet Punkte sammeln zu können, legt das burmesische Regime nach außen hin Eifer an den Tag. So kommt es zu dem derzeitigen Bauernopfer im Shanstaat.

Lorenz Matzat

 

Quellen:

Transnational Institute: Drugs and Conflict in Burma – Dilemmas for Policy Response, Drugs & Conflict Debate Paper No. 9, December 2003

Shan Herald Agency for News: Show Business – Rangoon´s ‘War on Drugs’ in Shan State, December 2003,

Geopolitics and Opium, www.geopium.org

United Nations Office for Drugs and Crime

International Narcotics Control Board,

 

aus: iz3w, Zeitschrift zwischen Nord und Süd, Nr. 285, Juni 2005

Wo geht es hier zur Camcorder Revolution?

Die Welt verändern, ohne die Fernsehsender zu übernehmen? Vier Tage lang standen in Köln die politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen des Videoaktivismus auf dem Programm

Vor zwanzig Jahren kam der erste Video-Camcorder auf den Markt, knapp zehn Jahre später der erste digitale Camcorder. Was als Unterhaltungselektronik für den privaten Massengebrauch gedacht war, hat längst eine neue Weltöffentlichkeit geschaffen, wie zuletzt die Amateuraufnahmen des Tsunami zeigten: Sie waren nicht nur Grundlage der weltweiten Fernseh-Berichterstattung, sondern haben auch über das Internet globale Verbreitung gefunden. Auch die weltweiten sozialen Bewegungen nutzen die neuen digitalen Möglichkeiten der Bildproduktion und -distribution, um die blinden Flecken der öffentlichen Wahrnehmung auszuleuchten.

Indymedia: Mitten im Geschehen (scheinschlag 10/04)

Tränengasschwaden und Gummigeschosse prägten die Geburtsstunde von Indymedia. Zumindest laut mancher Erzählungen über die mittlerweile von Mythen umrankten Proteste im US-amerikanischen Seattle im November 1999. Die erste Indymedia-Internetseite war aus Anlaß eines Treffens der Welthandelsorganisation (WTO) in Seattle eingerichtet worden. Die Verhandlungen der Staats- und Regierungschefs scheiterten, die Proteste der 40000 Demonstranten hatten ihren Teil dazu beigetragen. Sie markierten damit den Beginn einer weltumspannenden Bewegung. Die „Globalisierungsgegner“ sind seitdem nicht mehr wegzudenken von internationalen politischen Treffen, etwa G8-Gipfeln. Was dort vor sich geht, ist seitdem nicht mehr nur aus professionellen Medien und Polizeiberichten erfahrbar, sondern auch aus der Sicht der Protestierenden. Hunderte Leute, zum Teil mit einer Kamera ausgerüstet, berichten aktuell bei Indymedia über Demonstrationen, über einzelne Aktionen und über Polizeigewalt.

Das war und ist die Kernidee der Independent Media Center (IMC) oder Indymedia: „Become your own media ­ mache deine eigene Berichterstattung“. Dank des Prinzips „Open Posting“ kann jeder, der einen Zugang zum Netz hat, einen Beitrag einsenden. Sei es ein Text, ein Foto oder ein Film ­ in Minutenschnelle ist er im World Wide Web abrufbar.

Die Idee der alternativen Medienzentren hat sich in den letzten fünf Jahren schnell über den Globus verbreitet. Mittlerweile gibt es weltweit über 140 solcher IMC. Allein in den USA findet sich in jeder größeren Stadt eins, insgesamt über 40. In Deutschland gibt es bisher nur ein überregionales Indymedia, es ging im Frühjahr 2001 ins Netz. Anlaß war ein Castor-Transport ins niedersächsische Gorleben. Über drei Jahre später wird das unabhängige Nachrichtenportal täglich von 10000 Leuten besucht. Gefeiert wird dieser Erfolg und das runde fünfjährige internationale Jubiläum mit einem „Media Activist Gathering“ Ende November in Berlin.

Die Zahl der Zugriffe beim deutschen IMC war seit dem Sommer im Zuge der Montagsdemonstrationen deutlich gestiegen; jüngst ließ der Tod eines Atomkraftgegners in Frankreich, der von einem Castor-Zug überrollt wurde, viele Leute das Angebot nutzen. Die Beschlagnahme von Indymedia -Computern in den USA und Großbritannien durch den US-amerikanischen Geheimdienst FBI Anfang Oktober brachte Indymedia erneut international ins Gespräch. Der Betrieb von über 20 verschiedenen IMC war von diesem „Geburtstagsgeschenk“ des Geheimdienstes betroffen gewesen. Zwar wurden die Festplatten nach gut einer Woche wieder zurückgegeben, eine Begründung seitens der Behörde steht aber weiterhin aus. Unabhängige Medienberichterstattung, wie sie bei Indymedia stattfindet, ist manchem offenbar lästig.

Das Internet-Nachrichtenportal Indymedia feiert sein fünfjähriges Bestehen

Das Internet ermöglicht eine nie dagewesene Form von Kommunikation, Information und Vernetzung. Seit das WWW 1991 in Betrieb ging, wurde es Schritt für Schritt von sozialen Bewegungen als Medium erschlossen. Überaus erfolgreich damit war als erstes die EZLN. Als sie 1994 unerwartet den Aufstand im mexikanischen Chiapas begann, stellte sie eine eigene Seite ins Internet. Die Revolutionäre im lakadonischen Urwald konnten so ohne Umwege ihre Botschaft in die Welt senden, keiner konnte sie zensieren oder ihre Stimme unterdrücken.

In dem Sinne versteht sich auch Indymedia als Plattform, die allen für ihre Botschaften offen steht. In Deutschland sind es einige dutzend Leute, die ehrenamtlich als Moderatoren und Techniker im Schichtdienst das IMC betreuen. Nach bestimmten Kriterien werden die „geposteten“ Beiträge auf die Startseite des Nachrichtenportals gestellt. In diesen „Newswire“ gelangen in erster Linie tatsächliche Nachrichten und selbstverfaßte Berichte. Flugblattexte oder Demonstrationstermine sind in der Rubrik „Open Posting“ zu finden, wo alle eingehenden Berichte chronologisch nachzulesen sind. Beiträge, die beispielsweise rassistischen oder sexistischen Inhalts sind, werden im „Müll-Archiv“ abgelegt. Es kann nach Absprache eingesehen werden, denn die IMC wollen transparent arbeiten. Jeder kann sich über Mailinglisten an Diskussionen beteiligen und mitarbeiten.

Besonderer Stein des Anstoßes für Kritiker des Indymedia -Konzepts ist die „Ergänzungsfunktion“. Jeder Beitrag kann kommentiert werden. Dabei geht manchmal die Sachlichkeit verloren. Die Moderatoren versuchen dann, die tatsächlichen, ergänzend gemeinten Kommentare von denen ohne direkten Bezug zu trennen, letztere landen in schlecht lesbarer Schrift am unteren Ende der Seite. Doch gerade bei Beiträgen zum Thema Nahost flammt immer wieder erbitterter Streit auf, finden abstruse Diskussionen unterhalb des ursprünglichen Beitrags statt. Gegenseitig beschimpft man sich etwa als „Nazis“, und manchmal wird dann der Ruf „Indymedia abschalten!“ laut.

Das gilt es auszuhalten, meinen die Moderatoren. Einer von ihnen formuliert es so: „Ich finde es wichtig, Subjektivität bei Indymedia klar zuzulassen und den Leser damit zu konfrontieren. In den Ergänzungen unter dem Text tauchen Gegenmeinungen auf. Und so wird dem Leser auch bewußt, daß es immer eine bestimmte Realität, eine bestimmte Wahrnehmung ist, die in den jeweiligen Beiträgen deutlich wird.“

Manchmal ist zu hören, daß es sich bei Indymedia um keinen ernstzunehmenden Journalismus handeln würde. So würde beispielsweise die redaktionelle Bearbeitung und Überprüfung der Nachrichten fehlen. Diesen Vorwurf weist man von sich. „Indymedia ist ein Prinzip“, sagt ein zweiter Moderator, „jeder, der hier schreibt, macht Indymedia mit und ist mitverantwortlich.“ Der sogenannte seriöse Journalismus besteht, so sehen es zumindest die Aktivisten, teilweise aus Augenwischerei. Oft schreiben die Journalisten der professionellen Medien eh nur ab, was Agenturen, Presseerklärungen oder Fernsehen ihnen liefern, meinen sie. Und das würde dann „Objektivität“ genannt. Die „Reporter“ von den IMC dagegen sind oft mitten im Geschehen. Und das merke man dann ihren Beiträgen an, denn „es gibt Leute, die da sehr journalistisch herangehen, die als unabhängige Journalisten arbeiten. Und es gibt Leute, die ihre Arbeit in Bewegungen selbst porträtieren. Für beides will Indymedia offen sein.“

(scheinschlag)