Virtuelle Exkursion nach Nahost (taz 03/07)

„Global Conflicts: Palestine“ versetzt einen in die Rolle eines Journalisten im Konflikt zwischen Israel und Palästina. Ein „ernstes Spiel“ als Lernmedium?

Eine Schlange von Palästinensern steht sich an einem Checkpoint die Beine in den Bauch. Hannah Weismann, gerade zurück aus den USA, versucht von einem der israelischen Soldaten zu erfahren, warum der Kontrollpunkt geschlossen ist. Da bricht eine der wartenden Frauen zusammen. Seit Stunden wird sie von den Soldaten nicht zu ihrem Arzt auf der israelischen Seite durchgelassen, erfährt die Journalistin Weismann. Die Soldaten erklären, ein Verwandter der Frau sei in einen Anschlag in Israel verwickelt gewesen.
So sieht eines der Szenarien aus, in dem sich der Spieler des jüngst erschienen Computerspiels „Global Conflicts: Palestine“ wiederfindet. Wahlweise schlüpft man in die Rolle einer jungen Journalistin mit israelisch-jüdischen Wurzeln oder eines Journalisten palästinensischen Ursprungs. Gerade eben ist man aus den USA nach Nahost zurückgekehrt und versucht sich nun als Berichterstatter über den komplizierten Konflikt.

„Sie müssen es sich als virtuelle Exkursion vorstellen. Die 3-D-Umgebung des Spiels hilft einem, sich mit der Erfahrung wesentlich anders auseinanderzusetzen als mit einem Buch“, erklärt Simon Egenfeldt-Nielsen. Er leitet das junge dänische Softwarehaus Serious Games Interactive. Der Psychologe beschäftigt sich seit längerem mit dem Einsatz von Spielen für Bildungszwecke. Vor eineinhalb Jahre begann er mit rund zehn Mitarbeitern „Global Conflicts: Palestine“ zu entwickeln. Verschiedenste Informationsquellen sind in das Spiel eingeflossen: Bücher, Zeitungsartikel, Dokumentarfilme, Websites, die enge Zusammenarbeit mit der Universität in Kopenhagen und die Hinweise von zahlreichen Experten des Konflikts.

Das merkt man dem Spiel auch an, das in englischer, dänischer und deutscher Sprache vorliegt. Die einzelnen Missionen behandeln Themen wie die Siedler, den Stellenwert der „Märtyrer“ oder die Rolle der Medien. Man bewegt seine Spielfigur durch ein Stadtszenario mit Verkehr und Passanten. Auf den Wegen zwischen dem israelischen und palästinensischen Stadtteil begegnet man vielleicht einem Friedensaktivisten oder kann auf Bitten eines Soldaten dessen Militärkommandanten eine Nachricht überbringen. Die Gelegenheit lässt sich nutzen, gleich ein Interview mit ihm zu führen, das leicht anbiedernd oder aber auch kritisch, wenn nicht sogar aggressiv verlaufen kann.

Je nachdem, ob man sich entschieden hat, für eine palästinensische, israelische oder europäische Zeitung zu schreiben, sammelt man in seinem virtuellen Notizbuch entsprechende Zitate. Doch darf man nur eine bestimmte Anzahl speichern, manche müssen wieder aussortiert und zum Abschluss der jeweiligen Spielrunde zu einem Artikel zusammengesetzt werden. Die Software schätzt die Qualität des Beitrags hinsichtlich seiner Resonanz bei der Leserschaft ein.

Mit einer extra Website mit Hintergrundinformationen und Lehrmaterial versucht man, das Spiel für den Einsatz an Schulen schmackhaft zu machen. Was nicht so einfach ist, denn dort wird sich der Stellenwert von Computerspielen erst richtig ändern, wenn durch den anstehenden Generationenwechsel Lehrer an die Lernorte kommen, die selber am Rechner oder der Konsole spielen, schätzt Egenfeldt-Nielsen die Lage ein. Bislang haben er und sein Team in etwa 30 Schulklassen das Spiel getestet. Das Feedback, so der Däne, war meist positiv. Ein guter Teil der Schüler, im Alter zwischen 15 und 18 Jahren meinte, durch das Spiel mehr erfahren zu haben als durch klassische Lernmedien. „Wir erreichen mit dem Spiel vielleicht 80 bis 90 Prozent der Schüler. Die wir nicht erreichen, sind die Hardcore-Gamer. Die finden die Grafik des Spiels zu schlecht, es ist ihnen zu einfach“, berichtet der Spielentwickler.

Dabei ist „Global Conflicts: Palestine“ eines der ersten „ernsten Spiele“, das technisch halbwegs mit kommerziellen Unterhaltungsspielen mithalten kann. Während viele Lernspiele schlichte 2-D-Grafik und wenig komplexe Handlungen anbieten, orientiert sich dieses neue Spiel über Israel und Palästina an den Gewohnheiten der „Egoshooter“-Generation. Um die 400.000 Euro hat die Entwicklung des Spiels gekostet. Und schon sind die ersten Gelder für das nächste Spiel in der Reihe eingeworben: „Global Conflicts: Latin America“.
(Beitrag auf taz.de hier)

Teilzeitarbeit statt Ein-Euro-Jobs

Berliner Kampagne gegen Hartz IV legt Alternativkonzept vor

„Ein-Euro-Jobs ersetzen“ fordert die Berliner Kampagne gegen Hartz IV und legt ein Konzept vor, wie das gehen soll.

Finanzielle Mittel und Arbeit umzuverteilen, heißt der Vorschlag der Berliner Kampagne gegen Hartz IV. Statt Ein-Euro-Jobs will die Kampagne mit den Mitteln, die jetzt in Arbeitslosengeld (ALG) II und Ein-Euro-Jobs (MAE) fließen, sozialversicherungspflichtige Teilzeitjobs einführen. Diese würden mit 940 Euro im Monat netto vergütet und eine Wochenarbeitszeit von 20 bis 25 Stunden umfassen. „Man soll sich während der Förderung auch um das Danach kümmern können. Ein-Euro-Jobber mit 30 Stunden und mehr haben dazu keine Zeit“, erklärt Kampagnenmitarbeiterin Solveig Koitz.

Der MIT-Professor und der digitale Graben (Telepolis 03/07)

01.03.2007

Das 100-Dollar-Laptop Projekt steht in der Kritik

Ein in Millionenstückzahl gefertigter günstiger Laptop soll nach dem Willen einer Initiative aus den USA in Entwicklungsländern Kindern Zugang zur Bildung verschaffen. Seit 2005 arbeitet das One Laptop Per Child -Projekt (OLPC) um den Gründer des MIT MediaLab, Nicholas Negroponte, an einer Maschine, die auf Kinderhände und raue Umgebungen zugeschnitten ist. Dieser Tage starten in den Pilotländern Tests mit 3000 Geräten. Doch sind viele Fragen offen, die die Finanzierung, Implementierung sowie die sozialen und ökologischen Auswirkungen des Mammutvorhabens betreffen.

Platznehmen zum Hierbleiben (ND, 26.02.07)

Flüchtlingsorganisationen protestierten gegen Abschiebe-Praxis

„100 Tage und kein Bleiberecht“ lautete das Motto des bundesweiten Aktionstages, zu dem vergangenen Sonnabend die Kampagne „Hier geblieben“ in Berlin aufrief. Mit 100 Stühlen, die auf dem Pariser Platz aufgestellt wurden, rief das Bündnis, dem Pro Asyl, Flüchtlingsrat Berlin, GEW Berlin, das GRIPS-Theater und die Gruppe Jugendliche ohne Grenzen angehören, zu einer hundertminütigen Sitzung auf.

Kein Bock auf Nazis, (fluter.de, 13.02.07)

Ein Portal gegen rechte Musik

Turn it down heißt ein Internetportal des Antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrums (apabiz) in Berlin. Turn it down will ein Forum sein für Musik und Kultur gegen Rechtsrock und informiert über die rechte Rockszene und über Aktionen, Initiativen und Kampagnen gegen rechte Musik. Maja Schuster hat mit Hannes Ritter von Turn it down über rechten Rock, private Konzerte und CDs auf Schulhöfen gesprochen.

Gutschein, Bargeld oder Verpflegung? (ND, 31.01.07)

Chipkarten werden abgeschafft, aber Art der Versorgung von Flüchtlingen in Spandau noch unklar

31. Januar: Heute läuft in Spandau das Chipkartensystem für Flüchtlinge und Asylbewerber aus. Spandau ist der letzte Bezirk, in dem die Infracard-Chipkarten bis heute gelten. Etwa 120 der in Spandau verwalteten Flüchtlinge bekamen Leistungen nicht in Bargeld ausgezahlt, sondern auf einer Chipkarte. Damit konnten sie in nur 17 eher teuren Geschäften zahlen.

Das Geld, das aus dem Rechner kam (scheinschlag 01/07)

In den Spielwelten des Internet geht es um harte Valuta

Die einen prügeln sich mit ihren digitalen Repräsentanten durch eine von Tolkien inspirierte mittelalterliche Sagenwelt. Die dreidimensionalen Spiegelbilder – Avatare – der anderen lungern oder werkeln in Kunstwelten wie dem populären „Second Life“ (SL) herum. Letzteres ist weniger ein Spiel als ein Schritt in Richtung Metaverse – dem dreidimensionalen Internet.

SL fußte von Anfang an auf einem Geschäftsplan, der die virtuelle Währung Linden-Dollar mit dem echten US-Dollar konvertierbar machte. Der Anbieter Linden-Labs wird an jeder Transaktion in der Spielwelt beteiligt. Für Grundstücke und Dienstleistungen zahlt man Linden-Dollar, die man je nach Tageskurs per Kreditkarte für US-Dollar kaufen kann. Da jeder Spieler an dem Produkt, das er selbst in SL kreiert, das geistige Eigentum behält, gibt es einen regen Handel virtueller Gegenstände, aber auch mit Dienstleistungen. Bis zu einer Million US-Dollar wird pro Tag in SL umgesetzt.

Täglich kommen neue Spieler zu den schon hunderttausend „Einwohnern“ von SL dazu. Maximal sind aber nur 25000 gleichzeitig online. Immerhin verdienen bereits einige Tausend SL-Besucher über 10000 US-Dollar jährlich. Am bekanntesten ist die Deutsche Ailin Graef, die durch den Handel von Grundstücken in SL reich wurde. Ihr Online-Besitz beziffert sie selbst auf über eine Million US-Dollar. Für sie arbeiten 50 Angestellte in SL. Die sitzen im echten Leben im chinesischen Wuhan.

Überhaupt verbringen in China schon tausende Menschen ihren Arbeitsalltag am 3D-Monitor. Richtig in Schwung kam dieses Phänomen, als das populärste aller Online-Rollenspiele, World of Warcraft (WoW), Mitte 2005 auch in China eingeführt wurde. Von dessen weltweit insgesamt sieben Millionen Spielern soll die Hälfte aus dem asiatischen Land kommen.

Die WoW-Währung heißt schlicht Gold. Die Geschichte des Spiels findet in einer Fantasy-Umgebung mit Elfen, Monstern und Zauberern statt. Anfangs, vor gut zwei Jahren, konnte man das Rollenspiel-Geld nur bei ebay ersteigern. Etwa um seinem Avatar eine bessere Rüstung zu kaufen. Heutzutage kann man in Online-Wechselstuben die Währungen von rund 15 populären Online-Rollenspielen gegen Dollar, Euro oder Yen tauschen ­ ein Millionengeschäft. Agenten dieser Börsen überbringen nach Eingang der Zahlung innerhalb der jeweiligen Spielwelt dem Käufer die erstandene Summe.

Vor allem in den Industrieländern scheinen Leute bereit zu sein, Geld für völlig virtuellen Besitz auszugeben, um digitale Reputation zu erlangen. Sie ersparen sich das mühsame Voranbringen ihrer Spielfigur und kaufen sich Ausrüstung und Erfahrung, um gleich in spannendere und fortgeschrittene Abschnitte der Spiele einsteigen zu können.

Hauptsächlich in China arbeiten mehrere Dutzend, meist junge Männer in „Sweatshops“ im Auftrag von Händlern, die besagte Wechselstuben bedienen. Bis zu 15 Stunden am Tag wird für einen Stundenlohn von unter einem US-Dollar an mehreren Rechnern gleichzeitig mittels kleiner Hilfsprogramme „Gold farming“, das Einsammeln von Goldmünzen, betrieben.

So hat sich bereits die internationale Arbeitsteilung ­ Kopfarbeit im Norden, Drecksarbeit im Süden ­ auch an der Schnittstelle zwischen echter und virtueller Welt etabliert. Seit einiger Zeit richten nun auch Regierungen ihren Blick auf das Geschehen. Denn die virtuellen Welten erwirtschaften insgesamt eine Summe, die das Bruttoinlandsprodukt so einiger „Entwicklungsländer“ übertreffen dürfte. Wie kann man dem mit Steuern beikommen, lautet die Frage.

Die Wirtschaft der virtuellen Welten zeigt, welche abstrakten und ideellen Werte in Geldbeträgen ausgedrückt werden können. Wer bereit ist, harte Valuta für ein nur auf Bildschirm und Festplatte vorhandenes Schwert zu zahlen, hat eine neue Stufe des Konsums erreicht.

(scheinschlag)

Gesetzeswidrige Verhaltenskodizes

Das fair produzierte Notebook liegt in weiter Ferne, Firmenkodizes bewirken so gut wie nichts

In den Zulieferbetrieben der Computerindustrie herrschen unzumutbare Arbeitsbedingungen, die zumeist auch nicht mit nationalem Arbeitsrecht vereinbar sind. Sehr viel laxer sind Verhaltenskodizes der Industrie, die geschaffen wurden, um Konsumenten zu beruhigen. Trotz dieser schlechten Ausgangssituation untersuchte das Öko-Institut kürzlich die Möglichkeit, einen „fairen“ Computer auf den Markt zu bringen.