Bleiben oder gehen? Die Geschichte zweier Brüder aus dem Senegal

In Holzbooten machen sie sich auf den Weg nach Europa, junge Männer und wenige Frauen aus Westafrika. In ihrem Land sehen sie für sich keine Zukunft mehr. Malick und Mamadou sind zwei Brüder aus Kayar, einer kleinen Fischerstadt etwa eine Stunde nördlich von Senegals Hauptstadt Dakar. Sie sind hier am Meer zwischen den Dünen zusammen aufgewachsen.

Das missverstandene Medium (Telepolis 08/07)

25.08.2007

Auf der Games Convention leidet das Thema Computerspiele und Schule an der Killerspiele-Debatte

Auf Europas größter Spielemesse in Leipzig hat diesmal der Bildungsbereich eine eigene Halle abgekommen. Auf einem „Lehrertag“ zeigte sich dann, warum Computer- und Videospiele bei Lehrern keine guten Karten haben. Nicht zuletzt die Gewaltdebatte, die ein ZDF-Politmagazin pünktlich zu Messe anheizte, spielt eine wichtige Rolle. Aber auch das Angebot von geeigneten Spielen für den Unterricht ist gering.

Manch einer nennt ihn den Ronald Barnabas Schill der Jugendgewaltforschung. Der alarmistische Geist des Leiters des Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN), Christian Pfeiffer, schien über der Messehalle 5 der Games Convention zu schweben. Hier teilt sich mit dem Bereich „Art“ die Abteilung „Family“ die Halle – es geht um Lernsoftware, Medienpädagogik und Jugendschutz.

Kurz vor dem Beginn der Messe in Leipzig brachte das ZDF-Politmagazin Frontal 21 einen Beitrag Computerspiele: Töten am Bildschirm. In ihm wird durchweg positiv über die umstrittene Studie des KFN ( Killerspiele in der Diskussion) zu Medienkonsum und Jugendgewalt berichtet. Pfeiffer darf am Ende dann noch die Wissenschaftler des Forschungsschwerpunkts Wirkung Virtueller Welten der Fachhochschule Köln unterstellen, dass sie quasi im Auftrag von Spielherstellern arbeiten würden: „Die haben ihre Glaubwürdigkeit eingebüßt. Wenn sie ihr Geld von denen beziehen, die ein Interesse daran haben, dass solche Art von Computerspielen verharmlost werden. Also von daher kann sie niemand wissenschaftlich ernst nehmen. Das bedauerliche ist aber, dass Schulen und Eltern das nicht wissen“, sagte Pfeiffer im ZDF.

Tatsächlich wird das erst vergangenen Winter gegründete Institut zur Förderung von Medienkompetenz – Spielraum von Nintendo und dem größten Spielhersteller der Welt, Electronic Arts, gesponsert. Tanja Witting, die Koordinatorin des „Spielraums“ betont aber, dass die Forschung zum Thema an der Fachhochschule Köln aus anderen Töpfen bezahlt und komplett unabhängig sei. Pfeiffers Ausführungen will sie nicht kommentieren; sie sagt nur, dass man sich beim ZDF beschweren werde. Ohne Drittmittel der Spieleindustrie, ergänzt sie, wäre es für die Mitarbeiter in ihrem Institut gar nicht möglich, durch die Lande zu reisen. Dabei ginge es primär um Aufklärungsarbeit darüber, wie Jugendliche Computerspiele nutzen – die Vermittlung von Medienkompetenz wäre in manchen Bundesländern noch nicht einmal zwingender Bestandteil der Lehrerausbildung.

Kein Wunder, dass am Donnerstag wenig Lehrkräfte den Weg zu dem Lehrertag mit Vorträgen und Workshops zu finden scheinen. Dabei ist in den umliegenden Bundesländern ein Besuch des Bildungsforums der Messe als Fortbildungsmaßnahme anerkannt. Vor anfangs spärlich besetzen Reihen beginnt Tanja Witting dann einen Vortrag über „Chancen und Risiken von Computerspielen aus pädagogischer Sicht“. Sie spricht vom „Knackpunkt Generationenverständnis“ und geht indirekt auf besagten ZDF-Beitrag ein, der zahlreiche Metzelszenen aus Computerspielen zeigt: Wenn man selbst noch nie so ein Spiel ausprobiert habe, würde man bei der reinen Betrachtung von Standbilder oder Filmausschnitten aus den Computerspielen die Interpretationsmuster, die man vom Fernsehen kennt, anwenden, meint Witting. Doch das Spielerlebnis funktioniere gänzlich anders: Die Spieler folgen einem Regelwerk – ähnlich der Vorgaben bei „Mensch-ärgere-dich-nicht“ wird nicht gefragt, warum diese oder jene Aufgabe erfüllt werden müsse – man lässt sich auf ein Szenario ein.

Problematisch sei allerdings, fährt Witting fort, dass im Gegensatz zu Brettspielen statt abstrakten Spielfiguren oft menschenähnliche Figuren „geschlagen“ werden müssten. Neben den stereotypen Darstellungen der Geschlechter in Spielen sei auch zu kritisieren, dass als einzige Konfliktlösungsstrategie der Kampf angeboten werde. Welche Konsequenz sei daraus zu ziehen, wenn das Erlebnis der digitale Spiele sich so von der reinen Betrachtung unterscheide, fragte ein Lehrer aus Oberhausen, der neben der Forscherin auf dem Podium sitzt. Er antwortete gleich selbst: „Dann müssen wir die auch spielen“. Erst dann könne man verstehen, warum sie die Jugendlichen so fasziniert.

Entgegen der Bundeswehr, die sich mitten im Messetrubel als Abenteuerorganisation präsentiert, haben sich Institutionen wie die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle USK oder die Gesellschaft für Urheberrechtsverletzung GVU lieber in der Halle 5 niedergelassen. Deren eine Hälfte steht leer und ist abgetrennt, aber auch die Stände im gangbaren Teil sind vergleichsweise verwaist – kein Gedränge, kein Lärmpegel an der Schmerzgrenze. Während in der einen Ecke alte Konsolen, Computerkunst und Machinima präsentiert werden, bieten auf dem Rest der Fläche diverse Softwarehersteller ihre Vokabeltrainer sowie zahlreiche Lernprogramme für Kinder feil. Die erinnern meist mehr an klassisches Lernspielzeug und haben wenig mit den opulenten Titeln der Unterhaltungsindustrie zu tun. Doch Lernspiele für über 10-12 Jährige findet man eigentliche keine. Nichts zu sehen, von den „Serious Games“ und „Educational Gaming“ mit denen sich in den angelsächsischen Ländern zahlreiche Forscher und Pädagogen beschäftigen.

Nur am Stand der Bundeszentrale für politische Bildung wird ein „ernstes Spiel“ gezeigt: „Im Zentrum der Macht“ ist der dritte Teil der viel gelobten Genius-Reihe von Cornelsen, einem bekannten Schulbuchverlag. Wie in den anderen Teilen geht es um eine Stadtaufbauspiel á la Sim City mit einer bestimmten thematischen Komponente. Im dem für Herbst geplanten Titel muss man sich als Lokalpolitiker in seiner Partei nach oben arbeiten – für Bauvorhaben müssen Mehrheiten gefunden werden und es gilt, Wahlen durch entsprechenden Versprechen zu meistern.

Neben dem schwachen Angebot an geeigneten Titel für ältere Schüler, bringt Margit Fischbach einen weiteren Aspekt ein, warum Computerspiele an Bildungsstätten wenig als Lernmedium genutzt werden. Sie hat vor zehn Jahren die Zentralstelle für Unterrichtsmedien ( ZUM) ins Leben gerufen, die mittlerweile mit einem umfassenden Angebot ihrem Namen gerecht wird. Es sind nicht nur die oft alten Lehrer, die selber noch nicht am Rechner oder Konsole gespielt haben oder eine schlechte Rechnerausstattung der Schule – vielmehr, so die Oberstudienrätin, sei es schlicht eine Zeitfrage: Für ein Computerspiel brauche man eine Menge Zeit, die habe man im Unterricht nicht.

Beitrag auf Telepolis hier.

Vom Rauschmittel zum Medikament (Telepolis 05/07)

08.05.2007

Die internationale Drogenkontrolle und das afghanische Opium

In Afghanistan wird auch dieses Jahr eine Rekordopiumernte erwartet. Aus dem Opium wird Heroin vorwiegend für den europäischen Rauschgiftmarkt hergestellt. International mehren sich die Stimmen, die fordern, den afghanischen Schlafmohn für die Herstellung von Medikamenten wie Morphium und Codein zu nutzen. Doch die UN-Drogenkontrollbehörden und die US-Regierung halten nichts von der Idee.

Blühende Landschaften, so weit das Auge reicht. Felder über Felder von Schlafmohn wachsen auf der australischen Insel Tasmanien. Die isolierte Lage und strikte Kontrollen durch das Poppy Advisory & Control Board  des australischen Justizministeriums sollen verhindern, dass Opium auf den Schwarzmarkt gelangt. Auf 13.000 Hektar wächst speziell gezüchteter Mohn auf Tasmanien; sein Wirkstoffgehalt und Ertrag ist deutlich höher als etwa beim afghanischen Mohn. Die Pflanzen werden in Australien, wie auf ähnlichen französischen oder spanischen Plantagen, maschinell geerntet; dem getrockneten Mohnstroh wird chemisch seine Wirkstoffe entzogen, um die Opiate Morphin, Codein und Thebaine für die Pharmaindustrie herzustellen. Rund 110 Tonnen davon hat Australien letztes Jahr produziert. Das entspricht ungefähr 1.100 Tonnen Rohopium – in Afghanistan wurden davon letztes Jahr laut UNO über 6.000 Tonnen geerntet.

Die Verwaltung der legalen und die Kontrolle der illegalen Drogenproduktion werden in Wien geregelt. Hier findet sich einmal die Zentrale des Büro für Drogen und Kriminalität der UNO ( UNODC ). Es ist der operative Arm der Kommission für Betäubungsmittel ( CND) des Wirtschaft- und Sozialrats der UNO ( ECOSOC ). In Ländern wie Kolumbien und Afghanistan arbeitet das Büro daran, die Drogenproduktion zu unterbinden, Prävention zu betreiben sowie eine wirksame Strafverfolgung auszubauen. Ebenfalls in Wien sitzt der Internationale Suchtstoffkontrollrat ( INCB). Er gilt als Hüter der drei internationalen Drogenabkommen, dessen erstes von 1961 das Verbot des Anbaus und Gebrauchs von Schlafmohn, Koka und Hanf für private Zwecke festschreibt. In einem jährlichen Bericht wird festgehalten, inwieweit die Unterzeichnerländer – mittlerweile fast alle Staaten der Welt – die Umsetzung der Abkommen befolgen.

Der Rat regelt aber auch auf das Gramm genau und bestens dokumentiert die Quoten für den legalen Anbau von Koka, Cannabis und Mohn. Staaten müssen jährlich beim INCB den Bedarf an organischen und chemischen Drogenstoffen anmelden, die laut der Drogenabkommen nicht für den privaten Gebrauch zugelassen sind, aber für Forschungszwecke oder die Medikamentenproduktion. So hat das deutsche Gesundheitsministerium für 2007 unter anderem rund 50 Tonnen Opiate beim INCB „bestellt“. Weltweit wurde vergangenes Jahr der Bedarf einer Menge an Opiaten gemeldet, die ungefähr 5.000 Tonnen Rohopium entspricht – fast die Hälfte davon geht in die USA.

Kritiker halten den Suchtstoffkontrollrat für eine Ansammlung von Drogenpolitik-Hardlinern. Der niederländische Drogenforscher Peter Cohen etwa bezeichnet die 13 Mitglieder des Rats als „Kardinäle der Anti-Drogenkirche“, die jegliche Reformationsbestrebung, wie niederländische Coffeeshops oder Fixerstuben, ablehnen würden. Tatsächlich bemängelt der INCB in seinen Jahresberichten regelmäßig jegliche reformistischen Drogenpolitikansätze und drängt darauf, mit harter Hand gegen den Drogenkonsum und -produktion vorzugehen: So empfiehlt er für Afghanistan als erstes die Vernichtung der Schlafmohnfelder. 

Doch vergeblich: Wie letztes Jahr wird die jetzt im Mai beginnende Ernte in Afghanistan wieder über 6.000 Tonnen Opium betragen. Zumindest prognostiziert das UNODC diese Zahlen. Deswegen wirbt die Nichtregierungsorganisation Senlis Council weiter für die Idee, Afghanistan am legalen Opiatemarkt für Schmerzmittel teilhaben zu lassen. Mit ausführlichen Studien scheint sie immer mehr Politiker überzeugt zu haben. Neben Pakistans Präsident Musharraf haben sich in letzter Zeit italienische und englische Abgeordnete dafür ausgesprochen Teile oder die gesamte afghanische Opiumernte aufzukaufen – oder dem Land eben den legalen Anbau einer bestimmten Menge Opium zuzugestehen. Laut dem Independent soll der britische Premierminister Blair Bereitschaft signalisiert haben, diese Möglichkeit zu prüfen. Und selbst auf der EU-Ebene wird anscheinend laut über einen Strategiewechsel nachgedacht.

Grund dafür ist, dass der Kampf gegen den Opiumanbau in Afghanistan kaum Erfolge bringt. Eher im Gegenteil, stellt das Transnational Institute in Amsterdam fest: Das militärische Vorgehen gegen die Opiumbauern und nichteingehaltene Versprechungen treibe diese in die Reihen der militanten Aufständischen. Über drei Milliarden US-Dollar werden laut UNO mit Opiumanbau und -handel verdient, mehr als 45 Prozent des Bruttoinlandprodukts Afghanistans. Knapp drei Millionen Einwohner des Landes sind in die Opiumlandwirtschaft involviert, 13 Prozent der Bevölkerung. Eine wichtige Rolle kommt dabei dem in der Region üblichen informelle Bankensystem Hawala zu, wie eine ausführliche Studie über die Afghanische Drogenindustrie des UNODC und der Weltbank zeigt. Weiter gilt als sicher, dass die Korruption durch Drogengelder bis in die höchsten Ränge der Regierung reicht – drei der Minister sollen zum Kreis der Drogenbarone gehören.

Angesicht des möglichen Kurswechsel der EU hielt es das US-Justizministerium für nötig, deutlich Stellung zu den Vorschlägen des Senlis Council zu nehmen: Der legale Opiumanbau würde wenig Geld für die Opiumbauern einbringen und sei wenig attraktiv. Weiter sei der legale Opiatemarkt gesättigt, es gebe kein Bedarf an weiteren Nachschub für Schmerzmittel. Und schließlich bestünde die Gefahr, dass die schwache afghanische Regierung einen etwaigen legalen Anbau nicht ausreichend kontrollieren könne – die Gefahr drohe, dass Opium auf den Schwarzmarkt gelange.

Letztes Argument wirkt recht absurd, angesichts einer Opiumernte, die bislang komplett auf dem Schwarzmarkt gehandelt wird. Ob die wahrscheinlich niedrigeren Preise auf dem legalen Opiummarkt Bauer dazu bringen würde, aus dem Kreislauf der Drogenkriminalität auszusteigen, ist tatsächlich schwer zu vorherzusagen. Pierre-Arnaud Chouvy, der die Website geopium.org betreibt, sieht das Opium nicht als Ursache der unsicheren Lage in Afghanistan, sondern als Folge und Überlebensstrategie der ländlichen Bevölkerung. Dem Opium sei nur beizukommen, wenn die Sicherung alternativer Lebensgrundlagen grundsätzlicher Bestandteil der afghanischen Politik würde. Ähnlich sieht es die deutsche Gesellschaft für technologische Zusammenarbeit (GTZ), die mit alternativen Entwicklungsprojekten wie der Produktion von Rosenöl anstelle von Opium bescheidene Erfolge vorzeigen kann.

Strittig ist auch, ob die globale Nachfrage nach Schmerzmitteln wirklich gedeckt ist. Der Senlis Council beruft sich in einem Report einmal auf die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die eine „Schmerzmittelkrise“ festgestellt habe. Und selbst der Suchstoffkontrollrat habe festgestellt, dass vor allem die Regierungen von Entwicklungsländern kaum ihren wirklichen Bedarf an Opiaten melden. Derzeit konsumierten die Industriestaaten über 80 Prozent aller offiziell gemeldeten medizinischen Opiate. Doch selbst in diesen Ländern würde nur ein Viertel der tatsächlichen nötigen opiumbasierten Mittel in Bereichen wie der Krebstherapie oder Palliativmedizin eingesetzt – oft aus Angst vor Abhängigkeit und Missbrauch. Das afghanische Opium sei folglich für den globalen Schmerzmittelmarkt zu gebrauchen. Denn Mengen entsprechend von 10.000 Tonnen Opium wären jährlich notwenig, um die tatsächliche Nachfrage an zu decken, so Senlis Council.

Vielleicht ist der Vorschlag der britischen Hilfsorganisation Spirit Aid der richtige Weg für Afghanistan: Sie hatte in einer Studie die Möglichkeit beschrieben, anstelle des Schlafmohns große Felder mit dem vielseitigen Nutzhanf anzubauen. Doch diese Idee ist bislang auf wenig Gegenliebe gestoßen. Kanadische Truppen klagten schon über undurchdringliche afghanische Hanfwälder, in denen sich die Aufständischen versteckt hielten. Der Hanf sei so feucht, dass er sich nicht einmal mit Hilfe von Phosphor abrennen ließe.

Beitrag bei Telepolis hier.

Debatten um „Machtnetze“ wie um „Macht Netze“ (ND, 5.04.07)

ND-Gespräch mit Sonja von Eichborn und Jürgen Weber zum 30. Kongress der Bundeskoordination Internationalismus
Vom 6. bis 9. April findet in Leipzig der 30. bundesweite Kongress der „Bundeskoordination Internationalismus“ (BuKo) statt. Die OrganisatorInnen rechnen mit etwa 500 TeilnehmerInnen. ND sprach mit Sonja von Eichborn und Jürgen Weber vom SprecherInnenrat der BuKo, die den Kongress mit vorbereitet haben.

Afghanische Schmerzmittel (scheinschlag 04/07)

Die UNO verwaltet den legalen Drogenweltmarkt

Es ist seltsam: In Afghanistan wird mit aller Macht versucht, den Anbau von Schlafmohn zu unterbinden. Gleichzeitig wächst auf der australischen Insel Tasmanien auf zehntausenden Hektar die gleiche Pflanze völlig unbehelligt. Die Bauern dort ernten sie maschinell, lizenziert durch die Vereinten Nationen, und verkaufen sie beispielsweise an den US- Pharmakonzern Johnson&Johnson. Der entzieht den getrockneten Pflanzenkapseln dann ihre Wirkstoffe.

So lassen sich Morphium, Codein und andere Medikamente aus der Opiumpflanze gewinnen. Zuständig für die Verteilung dieser Stoffe, die unter die Drogenkonventionen der UNO fallen, ist der Internationale Suchtstoffkontrollrat (INCB) in Wien. Neben diversen synthetischen Arzneimitteln ist der private Gebrauch von organischen Substanzen wie Opium, Koka und Cannabis sowie all ihrer Folgestoffe ­ Heroin und Kokain ­ durch besagte Konventionen verboten. Um sie medizinisch oder für die Forschung zu nutzen, müssen die Staatsregierungen jährlich den Bedarf an den INCB melden.

Deutschland etwa meldete unter anderem den Bedarf von rund 50 Tonnen Opiaten an, die von der heimischen Pharmaindustrie benötigt werden. Der größte Abnehmer sind die USA, die ungefähr die Hälfte der weltweiten legalen Opiumernte aufkaufen. Die liegt bei etwa 5000 Tonnen Rohopium ­ die illegalisierte Opiumernte in Afghanistan im vergangen Jahr soll 6100 Tonnen erwirtschaftet haben.

Warum nutzt man nicht das afghanische Opium für medizinische Zwecke und ermöglicht so den Bauern dort, aus der Drogenökonomie auszusteigen, fragen seit längerem NGOs. Doch die bestimmende Macht im internationalen „Krieg gegen die Drogen“, die Regierung der USA, hält davon nichts. Erstens könne die afghanische Regierung nicht gewährleisten, daß von einem legalen Opiummarkt nicht Stoff auf den Schwarzmarkt gelangt. Ein bizarres Argument, angesichts einer sowieso völlig unkontrollierten Drogenwirtschaft in Afghanistan. Zweitens, so heißt es weiter, sei der Bedarf an Opium für medizinische Zwecke gedeckt.

Doch ist umstritten, ob weltweit nicht wesentlich mehr Opiate in der Medizin benötigt werden. Die Pharmaindustrie der Industrieländer nimmt fast 95 Prozent der gesamten legalen Opiumernte für sich in Anspruch ­ die restlichen 80 Prozent der Staaten weltweit begnügen sich mit fünf Prozent der Ernte. Sie müssen die medizinischen Opiate aus den reichen Ländern kaufen ­ viele Patienten in Entwicklungsländern dürften sich das nicht leisten können.

(scheinschlag)


Uferverschönerung für Medienschaffende

Das Kreuzberger Spreeufer soll Teil eines prosperierenden Wirtschaftsraums werden – soziale Verdrängung und erheblich mehr Durchgangsverkehr könnten die Folge sein

Im letzten Sommer eröffneten die Senatorin für Stadtentwicklung Ingeborg Junge-Reyer und der damalige Baustadtrat Franz Schulz in einem symbolischen Akt den Dampferanleger am Fuß der Oberbaumbrücke. Schon bald soll die Kreuzberger Spreeseite mit einer Uferpromenade ausgestattet, der Park am Gröbenufer neu gestaltet und die dort aufgestellten Skulpturen von Graffiti befreit sein. Die Uferverschönerungsmaßnahmen bilden den Auftakt des Programms „Stadtumbau West“ im Bereich des Kreuzberger Spreeufers.

Gefesselt verbrannt (junge welt, 27.03.07)

Dessau: Zwei Jahre nach dem Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh in Polizeigewahrsam wird heute der Prozeß gegen zwei Beamte eröffnet

Der 21jährige Asylbewerber Oury Jalloh aus Sierra Leone verbrannte am 7. Januar 2005 in einer Dessauer Polizeizelle – gefesselt an Händen und Füßen. Erst am heutigen Dienstag, mehr als zwei Jahre später, beginnt vor dem Landgericht der sachsen-anhaltinischen Stadt der Prozeß, in dem sich die beiden an jenem Tag diensthabenden Polizisten verantworten müssen. Andreas S. und Hans-Ulrich M. werden beschuldigt, durch unterlassene Hilfeleistung den Tod des Asylbewerbers verursacht zu haben.

Überleben im kolumbianischen Alptraum (Sendung Nahaufnahme)

Amanda Usuga und die Friedensgemeinde San José de Apartadó

In Kolumbien tobt seit Jahrzehnten ein bewaffneter Konflikt zwischen Armee, Paramilitärs und Guerilla. Er kostete Zehntausende Menschen das Leben, Millionen wurden zu Inlandflüchtlingen. Die Region Urabá an der karibischen Küste ist besonders umkämpft, hier ist auch ein besonderes Projekt zum Schutz der Zivilbevölkerung entstanden: Die
Friedensgemeinde San José de Apartadó. Sie feiert in diesen Tagen den zehnten Jahrestag ihrer Gründung. Amanda Usuga, eine der Gründerinnen, erzählt von den Anstrengungen, inmitten eines schmutzigen Krieges zu überleben. Eine Nahaufnahme von Bärbel Schönafinger und Jörn Hagenloch.