In der afghanischen Provinz entsteht mit deutscher Hilfe eine Schule nur für Mädchen.
Beim Thema Afghanistan haben die meisten wohl eher Bilder von Soldaten, Sprengstoffanschlägen oder tief verschleierten Frauen im Kopf. Über die kleinen, schwierigen Schritte hin zu einer zivilisierten Gesellschaft erfährt man abseits der Berichterstattung über den von den USA ausgerufenen Kampf gegen den islamistischen Terrorismus nur wenig.
„Mädchenschule in Brand gesteckt. Vermutlich von Talibankämpfern.“ Nachrichten dieser Art häuften sich in der vergangenen Zeit in der deutschen Tagespresse. Ein Lehrer, der Mädchen in Kalat in der afghanischen Provinz Sabul unterrichtete, zahlte für dieses Engagement mit seinem Leben: Malim Abdul Habib wurde in seinem Haus enthauptet aufgefunden. Die Provinzregierung hat mittlerweile aus Sicherheitsgründen 100 von 170 Schulen geschlossen, berichtete die „Frankfurter Rundschau“.
Gleichzeitig arbeiten zahlreiche Initiativen wie auch die afghanische Zentralregierung an einer besseren Bildung besonders für Mädchen, die während der Talibanherrschaft vom Schulunterricht ausgeschlossen waren. „Afghanistan befindet sich in einer kritischen Phase. Es gibt zahlreiche Fortschritte. Doch das Leben von Millionen von Kindern und Frauen ist weiter durch Unsicherheit, extreme Armut und Rechtlosigkeit geprägt“, sagte der damalige ehrenamtliche Vorsitzende von UNICEF Deutschland, Reinhardt Schlagintweit, anlässlich der Afghanistankonferenz in Berlin 2004. „Alle Kinder, besonders die Mädchen, müssen endlich zur Schule gehen und eine Ausbildung machen können, denn sie sind die Zukunft des Landes.“
Dieses Ziel verwirklichen will auch eine kleine Berliner Initiative: Der afghanisch-deutsche Förderverein für Gesundheit, Handwerk und Ausbildung AFGHAN e.V. Dr. Safi Baborie ist einer der Mitbegründer. Der Hochschuldozent hat sich mit anderen überlegt, selber etwas zu tun, statt abzuwarten.
Zunächst haben sie verschiedene Projekte finanziell unterstützt. Seit zwei Jahren planen sie eine Mädchenschule in Kohna Khomar. Etwa drei Stunden braucht man, um aus der Hauptstadt Kabul das Dorf in der Provinz Wardak zu erreichen – oder besser, man erreicht den Fuß des Dorfes. Es folgt ein anstrengender Marsch von zwei bis drei Stunden durch die Berge. Entlang eines kleinen Flusses wohnen hier etwa 4000 Menschen in 18 Ortschaften. UNICEF wirbt am Dorfeingang für sein Trinkwasserprojekt.
Lesen und Schreiben können nur die wenigsten
„Jungenschulen gibt es in diesem Gebiet“, erzählt Baborie, „aber keine einzige Mädchenschule“. Mädchen wurden bisher – wenn möglich – privat unterrichtet. So haben sie aber keine Möglichkeit, einen Abschluss zu machen. 150 Schülerinnen sollen hier zunächst unterrichtet werden. Später sollen rund 400 Mädchen aus den umliegenden Dörfern kommen. Zwar wird der Ort der Schule zentral zwischen allen 18 Ortschaften liegen, trotzdem werden sie Fußmärsche von bis zu zwei Stunden in Kauf nehmen müssen. „Das ist für viele Familien ein Problem. Die Mädchen sollen nicht so lange von zu Hause fort sein“, sagt Hiltrun Hütsch-Seide, eine Mitbegründerin des kleinen Vereins. „Eine Frau hat mir klipp und klar gesagt, „mein Kind geht nicht in die Schule“. Andererseits hat sich bei vielen Familien die Haltung durchgesetzt „Ohne Schule hast du gar keine Chance“. Wenigstens lesen und schreiben. Das können in Afghanistan in einigen Gebieten höchstens 10 von 100 Frauen.
Doch auch nach zwei Jahren geht es nur langsam voran. Zunächst musste geklärt werden, wo denn die Schule gebaut werden soll. Zwar haben sich die Dorfältesten bereits vor zwei Jahren verpflichtet, ein geeignetes Grundstück zu finden, allerdings gibt es immer wieder neue Besitzansprüche. „Bei unserem letzten Besuch haben wir schon das ausgesuchte Grundstück mit weißer Farbe markiert, da kam jemand vorbei und behauptete, das Grundstück gehöre ihm. Das musste erstmal geklärt werden.“ Drei Tage gab es Gespräche mit den beteiligten Familien. Jetzt will das Dorf einen Ausgleich zahlen. Baborie hofft, den Grundstein im September dieses Jahres legen zu können. 45 000 Euro soll das Schulgebäude kosten. Hinzu kommen Anlagen für Strom und Wärme. Bisher hat der Verein beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit angefragt. Die Antwort steht noch aus.
Stühle und Tische aus Baden-Württemberg
Dann ist da noch die Frage des Materials. Holz ist in dem kargen Land sehr teuer. Die meisten Häuser sind aus Lehm gebaut. Was ist sicherer bei Erdbeben? Was schützt in den kalten Wintern mehr? Mit diesen Fragen beschäftigt sich ein Berliner Architekt. Und die Schülerinnen und Schüler der Berliner Georg-Von-Glesche-Oberschule. Sie beteiligen sich an einem Architekturprojekt. „Später wollen wir noch andere Kooperationen zwischen der Schule in Kohna Khomar und deutschen Schulen fördern“, so Baborie. Bisher habe eine Schule aus Baden-Württemberg Stühle und Tische gestiftet.
Es soll nicht nur das Gebäude gebaut werden. Auch der Austausch mit den ortsansässigen Lehrern ist dem Verein wichtig. „Es gibt dort ein sehr autoritäres Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern. Sie fanden es sehr befremdlich, dass wir gemeinsam mit den Kindern Spiele gespielt haben.“