ND-Gespräch mit Sonja von Eichborn und Jürgen Weber zum 30. Kongress der Bundeskoordination Internationalismus
Vom 6. bis 9. April findet in Leipzig der 30. bundesweite Kongress der „Bundeskoordination Internationalismus“ (BuKo) statt. Die OrganisatorInnen rechnen mit etwa 500 TeilnehmerInnen. ND sprach mit Sonja von Eichborn und Jürgen Weber vom SprecherInnenrat der BuKo, die den Kongress mit vorbereitet haben.
ND: „machtnetze“, so das Motto des Kongresses, klingt sowohl nach einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit Machtstrukturen als auch nach einer konkreten Handlungsaufforderung. Was sind die thematischen Schwerpunkte?
Sonja von Eichborn: Der BuKo 30 möchte die Verknüpfung von Perspektiven und Praxis solidarischer und internationalistischer Politik anbieten und Räume schaffen für die Reflexion von Themen, Alltags- und Strukturfragen aus unterschiedlichen Bewegungen. Die Veranstaltungen gruppieren sich rund um die inhaltlichen Knotenpunkte Energie, Migration, Militarismus, Ökonomisierung und Privatisierung sowie Geschlecht-Macht-Politik, Widerstand und Organisierung und unerwünschte Anschlüsse.
Vor 30 Jahren fand in München der erste BuKo statt. Damals stand diese Abkürzung für „Bundeskongress entwicklungspolitischer Aktionsgruppen“. Seit 2002 steht BuKo für Bundeskoordination Internationalismus. Was versteht ihr heute unter Internationalismus und wie haben sich die inhaltlichen Schwerpunkte in den letzten drei Jahrzehnten verändert?
Jürgen Weber: In den Anfangsjahren der BuKo stand der Begriff Internationalismus für die Hoffnung auf eine globale Emanzipation durch die nationalen Befreiungskämpfe in den Ländern des Südens, stark verknüpft mit dem Entwicklungsgedanken. Mit dem Epochenbruch 1989 und der Wahlniederlage der Sandinisten 1990 setzte eine Phase der Umorientierung und Reflexion ein. Heute verstehe ich unter dem Begriff Internationalismus eine transnationale herrschaftskritische Perspektive auf gesellschaftliche Verhältnisse. Das Wesentliche ist dabei, dass diese Perspektive „radikal global“ ist und damit explizit den eurozentristischen Entwicklungsgedanken verabschiedet, der die anderen als Objekte seiner Hilfsprojektionen betrachtet statt als eigenständige politische Subjekte.
Gibt es besondere Feierlichkeiten anlässlich dieses Jubiläums?
Jürgen Weber: Die Kongresseröffnung wird ganz im Zeichen von 30 Jahren Bewegungsgeschichte von und mit der BuKo stehen. Es wird eine Ausstellung über die BuKo geben, außerdem ein Angebot, Visionen für die BuKo und den BuKo zu entwickeln – und natürlich ein Fest am Sonntagabend.
Der diesjährige BuKo steht im Zeichen der Vorbereitung auf die Proteste gegen den G 8-Gipfel. Bietet der Kongress die Möglichkeit, sich noch theoretisch auf den Protest vorzubereiten, oder steht die praktische Organisierung im Vordergrund?
Sonja von Eichborn: Es wird rund 100 Diskussionsveranstaltungen sowie Austausch- und Vernetzungstreffen geben, für beides also Möglichkeiten. Der G 8-Gipfel selbst steht aber dennoch nicht im Vordergrund. Der Kongress ist in erster Linie ein Ort der Reflexion, an dem die Themen der G 8-Stra- tegInnen so übersetzt werden sollen, dass ihr Hineinreichen in unsere eigenen Denk- und Handlungsweisen und in unseren Alltag deutlich wird. Daraus ergeben sich dann auch Fragen nach der Organisierung von Widerstand in Zeiten globaler Machtnetze.
In den vorbereitenden Debatten des BuKo ging es auch um den Abbau von Diskussionshemmnissen und Ausschlussmechanismen. Gibt es strukturelle Veränderungen, mit denen ihr der konsumistischen Haltung der TeilnehmerInnen begegnen wollt?
Jürgen Weber: Ich sehe das nicht so. Für uns als Kongressvorbereitung sind alle TeilnehmerInnen zuerst einmal eine Herausforderung. Dass in der Vorbereitung lange über Vermittlung und Methoden gesprochen wurde, liegt eher an unseren oft festgefahrenen Weisen, politische Themen anzubieten und zu diskutieren. Dadurch entstehen Ausschlüsse beispielsweise durch den Gebrauch bestimmter Sprach- und Sprechformen, der frontalen Vermittlung von Wissen und so weiter. Deshalb auch einige Veränderungen in der Kongress-Methodologie wie die offenen Räume und partizipative Formen in vielen der Veranstaltungen.
Interview: Maja Schuster