Am Ende hat auch geballte Prominenz nicht mehr geholfen: Der Berliner Verlag geht an ein britisch-amerikanisches Investorenkonsortium
Es war ein gewaltiges Blätterrauschen in den vergangenen Wochen, seit bekannt wurde, dass Finanzinvestoren ein Auge auf den Berliner Verlag geworfen hatten. Auch die verlagseigenen Blätter Berliner Zeitung und Berliner Kurier stemmten sich mit eindeutig formulierten Artikeln gegen die Übernahme (Der Schwarm). Und gestern wurde bekannt, dass 140 Schriftsteller, Künstler und Prominente dem Aufruf des Netzwerks Recherche gefolgt sind und gegen die Übernahme durch „Finanzjongleure“ votiert haben. Doch die Medienkampagne kam zu spät.
David Montgomery, Manager des Finanzinvestors Mecom, hat heute den Zuschlag für geschätzte 160 Millionen Euro bekommen. Die Angst vor dem Geschäftsgebaren der neuen Besitzer ist berechtigt. Es drohen Entlassungen und die Aufgabe publizistischer Grundsätze zugunsten der Gewinnmaximierung. Schließlich erwarten professionelle Geldgeber Renditeraten von bis zu 20 Prozent. Doch der Fall des Berliner Verlags zeigt auch, wie oberflächlich diese wichtige Diskussion um Profite und Pressefreiheit geführt wird. Schließlich hat der Chefredakteur der Berliner Zeitung, Uwe Vorkötter, noch im Frühjahr die Investorenzunft vor Münteferings „Heuschrecken-Kapitalismus“ im Schutz genommen. Und deutsche Zeitungsverlage haben schon vor vielen Jahren in ähnlicher Manier Osteuropa „abgegrast“.
Die Leser der „Frankfurter Rundschau“ und der „tageszeitung“ konnten heute einen ungewöhnlichen breit unterstützten Aufruf des „Netzwerks Recherche“ in ihrer Tageszeitung lesen. Von den üblichen Verdächtigen wie Günter Grass, Peter Rühmkorf und Günter Wallraff über Senta Berger, Wim Wenders und Roger Willemsen bis Jürgen Trittin, Gesine Schwan und Norbert Blüm fanden sich 140 Prominente zusammen. Sie alle sahen die „innere Pressefreiheit gefährdet“ und forderten in markigen Worten den Abbruch der Verhandlungen mit den „Finanzabenteurern“:
Der Investor David Montgomery hat in Großbritannien keinen Ruf mehr zu verlieren. Ein von ihm angeführtes Konsortium will den profitablen Berliner Verlag kaufen. Aus der Sicht von Finanzabenteurern ein normales Geschäft, aber deren Raffgier kann den publizistischen Ruin bedeuten. Berliner Zeitung und Berliner Kurier sind keine der üblichen Renditeobjekte. Der respektable Holtzbrinck-Verlag, der Montgomery trotz des Angebots eines ernsthaften deutschen Verlegers den Zuschlag geben will, sollte sich daran erinnern und sein publizistisches Ansehen bewahren.
(Aus dem Aufruf des Netzwerks Recherche)
Die Kapitalistenschelte sollte kämpfenden Redaktionen des Berliner Verlags zur Hilfe kommen und den bisherigen Besitzer Holtzbrinck Verlag von seiner Entscheidung abbringen. Die Argumente erinnern stark an die Diskussion um den angeblichen „Heuschrecken-Kapitalismus“, die SPD-Chef Franz Müntefering im Frühjahr vom Zaun brach. Auch dort wurde ein „zügelloser“ Kapitalismus angeprangert, der allein auf Renditen und Profite abzielt. Es war eine Debatteninszenierung, die Stimmung für die SPD machen sollte. Politische Konsequenzen hatte die Diskussion nicht, und es gab auch in der Öffentlichkeit Gegenstimmen, die die Finanzinvestoren in Schutz nahmen. Dazu zählte Uwe Vorkötter, Chefredakteur der Berliner Zeitung. Heute hat er angesichts der eigenen Erfahrung eine neue Sicht auf die Dinge, damals schrieb er:
Sie kaufen Unternehmen, die andere nicht mehr wollen – weil sie nicht in die Konzernstrategie passen oder weil sie so pleite sind, dass ihnen keine Bank mehr einen Kredit gibt. Sentimentalität ist den Investoren fremd, Markennamen und Tradition interessieren sie nicht. Sie kappen Kosten, streichen Arbeitsplätze. Ihre Strategie ist kurzfristig. In spätestens fünf Jahren wollen sie das Engagement wieder abstoßen, mit Gewinn. Manchmal mit exorbitantem Gewinn. Nicht selten ist auch das Risiko exorbitant.
Es gibt keinen Grund, dieser Branche besondere Sympathie entgegenzubringen. Wir haben es mit Unternehmensdealern zu tun – Unternehmer wären uns lieber. Aber eine Heuschrecken-Plage? Fügen diese Leute der deutschen Wirtschaft schweren Schaden zu? Sind sie gar für unsere Wachstums- und Beschäftigungsprobleme verantwortlich? Das ist, mit Verlaub, Unsinn. Es gibt Beispiele, in denen die vorübergehende Übernahme eines Unternehmens durch solche Finanzinvestoren für die Firma und ihre Beschäftigten gut war, es gibt Gegenbeispiele. Es gibt auch Betriebe, die geschlossen wurden, verbunden mit einem Totalverlust der Arbeitsplätze, weil sich kein risikobereiter Investor gefunden hat.
(Uwe Vorkötter)
Auch ein anderer Aspekt der Debatte um das Verhältnis von Pressefreiheit und Profiten bleibt derzeit in der öffentlichen Diskussion ohne Beachtung. Es gibt nicht nur ausländische Investoren, die mit deutschen Presseunternehmen Gewinne machen möchten. Deutsche Verlagshäuser wie Axel Springer, Bertelsmann oder die Verlagsgruppe Passau sind selbst auf der Suche nach kräftigen Erträgen im Ausland. Die Goldgräberstimmung nach dem Fall des Ostblocks haben sie gezielt genutzt und sind seit mehr als 15 Jahren in Osteuropa tätig (Freiheit des Wortes bedroht).
Schon vor zwei Jahren warnte eine Studie der europäischen Sektion der „International Federation of Journalists“ vor der Plünderung der Medienressourcen in Osteuropa durch westliche Konzerne. So erwirtschaftet die WAZ-Mediengruppe bereits 40 Prozent ihres Gesamtumsatzes in Ungarn, Mazedonien, Bulgarien, Rumänien, Serbien und Montenegro. Und zur wirtschaftlichen Macht kommt auch eine enorme politisches Gewicht. Der Konzern ist beispielsweise mit 35 Prozent Marktanteil der größte Zeitungsverleger in Kroatien, in Mazedonien besitzt er einen Marktanteil von 90 Prozent. Es gab auch bereits handfesten Ärger, als sich beispielsweise im vergangenen Jahr die Redaktion der rumänischen Zeitung „România Liberâ“ gegen die politische Einflussnahme der deutschen Besitzer verwehrte (Keine Pressefreiheit in Rumänien dank deutschem Verlag).
Die Bezeichnung „Heuschrecke“ werden Bertelsmann, WAZ und Springer weit von sich weisen. Das markige Wort trifft auch nicht die Realität, denn die Konzerne handeln nach den Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus. Erst das Geld, dann die Pressefreiheit.