Im Juli protestierten Kleinbäuerinnen und -bauern in der argentinischen Puna mit Straßenblockaden gegen die zunehmende Rohstoffförderung in der Region. Die begehrte Ressource heißt Lithium und findet sich in Salzseen und unterirdischen Wasserläufen im Dreieck der Länder Argentinien, Chile und Bolivien. Grund für den beginnenden Lithiumboom ist der Bedarf der Batterie- und Autoindustrie an dem Leichtmetall. Lithium-Ionen-Akkus sind derzeit die Technologie der Wahl für die Batterien von Elektroautos, deren Markteinführung unter anderem von der deutschen Bundesregierung gefördert wird – als saubere Zukunftstechnologie. Doch der Abbau der Rohstoffe, die in den künftigen Elektroautos stecken werden, ist oft mit gravierenden Folgen für die Menschen und die Umwelt in den Herkunftsländern verbunden.
Die Förderung des in den südamerikanischen Salzseen gelösten Lithiums erscheint auf den ersten Blick harmlos. In großflächigen Verdunstungsbecken wird das lithiumhaltige Wasser konzentriert und dann in Tanklastern zu seiner Weiterverarbeitung abtransportiert. Giftige Rückstände gelangen nach heutigem Kenntnisstand nicht in die Umwelt. Allerdings deutet sich bereits ein Konflikt um die im Andenhochland knappe Ressource Wasser an. „Sie werden das Wasser brauchen, das für unser Leben fundamental ist. Die Leute leben von der Haltung von Lamas und Schafen, der Subsistenzwirtschaft, und wir wollen, dass das respektiert wird“, erklärt Guadalupe Tolaba vom Netzwerk der Puna die Befürchtungen der Bäuerinnen und Bauern dieser extrem trockenen Region.
In der chilenischen Atacamawüste wird Wasser nicht nur zur Gewinnung von Lithium, sondern auch von Kupfer gebraucht, einem weiteren Rohstoff für die Automobilindustrie. Zwar steckt in herkömmlichen Autos mit Verbrennungsmotor ebenfalls jede Menge Kupfer, nach Schätzungen des Öko-Instituts und des Deutschen Instituts für Luft- und Raumfahrt wird aber für die zukünftigen Elektroautos ein Vielfaches davon gebraucht. Anders als beim Lithium belasten die Rückstände des Kupferbergbaus auch die Gesundheit der Anwohner. So enthält das Erz der chilenischen Chuquicamata-Mine Uran, das auf offenen Abraumhalden deponiert wird. Radioaktive Partikel werden so von Wind und Wasser weiträumig verteilt.
Zu den problematischen Rohstoffen für Elektromotoren zählt auch Kobalt. Weltweit die Hälfte dieses Metalls wird in der Demokratischen Republik Kongo abgebaut, deren Rohstoffreichtum sich bislang eher entwicklungshemmend als -fördernd ausgewirkt hat. Wie die kongolesische Nichtregierungsorganisation „Action Contre l’Impunité pour les Droits Humains“ (ACIDH) und die britische „Rights and Accountability in Development“ (RAID) gezeigt haben: Im Zusammenhang mit dem Bergbau in der DR Kongo werden auch heute noch Menschen- und Arbeitsrechte verletzt und die Umwelt unnötig belastet.
So beklagt ACIDH undurchsichtige Vergabeprozesse für neue Bergbauprojekte sowie mangelnde Information und Mitsprache der betroffenen Bevölkerung, Umsiedlungen, bevor neue Häuser errichtet wurden und weitere nicht eingehaltene Versprechen der Bergbauunternehmen. RAID untersuchte die Arbeitsbedingungen in den Kupferminen und -schmelzen – in denen auch Kobalt gewonnen wird – und stieß dabei auf mangelnden Arbeitsschutz, ungeregelte Arbeitsverhältnisse sowie Fälle von körperlicher Misshandlung durch die Arbeitgeber. Gesetzlich verankerte Arbeitsrechte werden in der Praxis nicht durchgesetzt, Klagemöglichkeiten fehlen. Stattdessen riskierten die Arbeiter bei Beschwerden ihre Entlassung oder sogar Bedrohung und Misshandlung durch die Arbeitgeber.
Doch die Autohersteller können nicht benennen, woher die einzelnen Rohstoffe kommen, da sie vorgefertigte Teile von Zulieferern einkaufen und diese sich wiederum auf internationalen Rohstoffmärkten versorgen. Zwar haben die meisten deutschen Hersteller Nachhaltigkeitsstrategien formuliert, die aber nur ihre direkten Zulieferer einschließen, wobei manche auf Freiwilligkeit, andere auch auf Kontrollen setzen. Die Menschenrechtssituation und andere soziale Fragen bei der Gewinnung von Rohstoffen spielen in den Nachhaltigkeitsstrategien der Autohersteller keine Rolle, stellte die niederländische NGO „Centre for Research on Multinational Corporations“ (SOMO) im vergangenen Jahr fest.
Ob die eine Million Elektroautos, die die Bundesregierung bis 2020 auf die Straße bringen will, tatsächlich eine Million herkömmliche Autos ersetzen wird, ist fraglich. Stimmen aus der Automobilbranche lassen vermuten, dass Elektroautos vor allem als Zweit- oder Drittwagen für Kurzstreckenfahrten angeschafft werden. Auf diese Weise würde sich der Rohstoffbedarf der Automobilbranche insgesamt erhöhen. Zudem möchte die Bundesregierung Deutschland zu einem „Leitanbieter für Elektromobilität“ entwickeln. Das Regierungsprogramm Elektromobilität ist daher in seiner jetzigen Form ein Wirtschaftsförderungsprogramm mit grünem Anstrich. Möglichkeiten zu einer nachhaltigen Gewinnung und Verwendung von Rohstoffen werden dabei wie gewohnt ausgeblendet, der Industrie soll, wie im vergangenen Jahr in der Rohstoffstrategie, formuliert ein möglichst freier Zugang zu den benötigten Ressourcen verschafft werden. Unter dem Motto „bleibt alles anders“ wird der Motor im Konzept des Individualverkehrs ausgetauscht, statt Potentiale im öffentlichen Transportwesen oder andere kollektive und ökologische Transportmodelle auszuloten. Das Engagement der großen Energiekonzerne im Bereich Elektromobilität, wie etwa die Bereitstellung öffentlicher Ladestationen, lässt zudem befürchten, dass die Elektroautos wohl kaum nur mit Strom aus Erneuerbaren Energien fahren werden.