Dr. Alexander Gröschner ist Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Jena. Einer seiner Arbeitsschwerpunkte ist die pädagogische Innovationsforschung. Ein Gespräch mit Gröschner über die Rolle von Neuen Medien, speziell von Computerspielen, in der heutigen Lehrerausbildung.
Welchen Stellenwert hat die Medienpädagogik in der Lehrerausbildung?
Alexander Gröschner: Der Medienpädagogik hängt der Vorwurf an, sie würde der technischen Entwicklung immer hinterher hinken. Und da ist immer noch etwas dran. Dabei wird von den Lehrkräften selbst eingeklagt, sie mehr in medienpädagogischer Kompetenz auszubilden. Denn in den Schulen selbst wird gefragt: „Wir brauchen jemanden, der jetzt Medienkompetenz unterrichtet – wer macht‘s?“ Bei uns in Thüringen gibt es mittlerweile ein Teilfach Medienkunde. Das soll fächerübergreifend in der 5. und 6. Klasse im herkömmlichen Unterricht – in Deutsch, Geschichte und Mathe – unterrichtet werden. Aber was „Medienkunde“ sein soll, ist oftmals ganz vage.
Wo liegt das Problem?
Alexander Gröschner: Im Moment befindet sich die Lehrerbildung in einem großen Umbildungsprozess – nicht zuletzt wegen der Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master-Abschlüsse. In den klassischen Universitätsstrukturen mit ihrer Fächerausbildung von Lehrern – mit zwei oder sogar drei Fächern plus Erziehungswissenschaft – fällt so ein Thema wie Medienpädagogik oft hinten herunter.
Dann steht zwar in den Ausbildungsplänen, dass sich dem vertieft gewidmet werden soll. Was dann aber angeboten wird, sind Blockveranstaltungen. Da kommt dann jemand für zwei Tage in die Hochschule – beispielsweise aus einer Zeitungsredaktion – doch das sind Tropfen auf dem heißen Stein. Eine systematische medieneinbindende und medienaufmerksame Lehrerausbildung gibt es kaum. So eine Möglichkeit findet man noch am ehesten an einem Institut für Medienpädagogik oder eben einer kommunikationswissenschaftlichen Ausbildung.
Täuscht der Eindruck, oder ist seit Ende der 80er Jahre und der Einführung von Video im Klassenzimmer auf dem Feld „Neue Medien“ nichts geschehen?
Alexander Gröschner: Nur zum Teil. Rechner werden vermehrt in Klassenräumen als Informationsmedium eingesetzt. Doch das vermittelt dem Schüler aber nichts anderes als die technische Handhabung. Wirkliche systematische Einbindung in den Unterricht, also das Medium hinsichtlich der Planung, Aufbereitung und Durchführung einzusetzen, findet sich sehr selten. Es herrscht nach wie vor eine Rezeptionskultur vor: Die bindet Medien zwar in den herkömmlichen Unterricht ein und betrachtet sie – nutzt sie aber nicht aktiv als Werkzeug. In der Innovationsforschung geht es uns darum, Lehrer so fit zu machen, dass sie selbstbestimmtes Lernen ermöglichen. Was ja mit neueren technischen Medien wie Computerspielen gut möglich wäre, doch wir haben Schwierigkeiten, vom klassischen Frontal- und Kreideunterricht wegzukommen.
Stichwort Computerspiele – sind die auf dem Weg, als Lehr- und Lernmedium Anerkennung zu finden?
Alexander Gröschner: Sie sind bislang als solche in keinen Lehrplänen aufgenommen. Dabei könnten sie einen aktuellen Medienbezug herstellen, um das Interesse von Schülern zu wecken – das ist ja der Vorteil von digitalen Lernspielen: Sie sind authentisch, sie schaffen Lernumgebungen, mit denen sich das Interesse der jeweiligen Jugendlichen binden lässt und dadurch kognitive Aufmerksamkeit herrscht – d.h. dann auch die Bereitschaft zu lernen. Beim Thema Computerspiele interessieren sich Eltern oft mehr dafür als die derzeit überalterte Lehrerschaft, weil es eben die Lebenswelt ihrer Kinder betrifft.
Im angelsächsischen Raum ist man hinsichtlich digitaler Lernspiele um einiges weiter. Alexander Gröschner: Auch im skandinavischen Raum – im deutschsprachigen Raum wird es noch kommen. Es wird sich aber durch unsere humboldtsche Bildungstradition nichts so innovativ oder radikal etablieren, wie es in den skandinavischen Ländern passiert ist. Dort haben nicht zuletzt die Wissenschaft und die Wirtschaft, beispielsweise Handy-Hersteller, Unterstützung dazu geleistet, das voran zu bringen.
Der rasante Medienwandel, der Teil des Alltags von Jugendlichen ist, scheint an vielen Lehrern einfach vorbeizugehen. Besteht nicht die Gefahr, dass sie nicht mehr ernst genommen werden?
Alexander Gröschner: Ich glaube, dass Autorität von Lehrern davon lebt, inwieweit sie Beziehungen zu den Schülern aufbauen können. Selbst wenn ich als Lehrer nicht am Computer spiele, kann ich mich für Schüler und ihre Interessen begeistern. Auch wenn man es im einzelnen technisch nicht versteht. Diese allmächtige Ohnmacht, die man als Lehrer gegenüber Schülern oftmals hat, ist ein ganz klassisches Phänomen. Es rührt von diesem althergebrachten Bild her, dass ich als Lehrender meinen Unterricht beherrschen muss. Dem entgegen gibt es kaum eine etablierte Fehlerkultur – also bei den eigenen Fehlern anzufangen und etwa gegenüber den Schülern hinsichtlich der Games zu sagen: Ich habe mich damit noch nicht befasst, das ist euer Feld. Ich interessiere mich aber dafür, zeigt mir das doch mal. So bekommt man sicherlich eine ganze andere Akzeptanz.
IGM: Welcher Weg sollte also eingeschlagen werden?
Alexander Gröschner: Da sich Kinder und Jugendliche vermehrt für Games und generell für technische Medien interessieren, sind einerseits die Eltern gefragt, die Medienausstattung ihrer Kinder mehr zu begrenzen und ihnen nicht jeden Wunsch zu erfüllen. Auch würde ich schon deutlich für einen Umgang mit sozialen Beziehungen plädieren, der auch den Körper ernst nimmt und feststellt: Eine virtuelle Umarmung ist etwas anderes als eine reale Umarmung. Wir sollten zudem nicht versuchen, Medien als Ersatz für pädagogische Arbeit zu betrachten, sondern als Werkzeuge, die heutzutage für unsere Lebenswelt wichtig sind. Interview: Lorenz Matzat
(Erschienen im International Games Magazine IGM 13/09)