Von Berlin bis zur polnischen Grenze sind es nur gut 70 Kilometer, das Nachbarland ist in gut einer Stunde zu erreichen. Das Interesse für den östlichen Nachbarn erwacht bei den Berliner Schülerinnen und Schülern nur langsam. Anders sieht es dagegen in den Grenzregionen zu Polen aus. Die Pioniere in Sachen Polnisch als Fremdsprache leben im Osten – in den Grenzregionen Mecklenburg-Vorpommerns, Brandenburgs und Sachsens. In Mecklenburg-Vorpommern belegten 800 Schüler die Fremdsprache Polnisch, in Sachsen 1445 und in Brandenburg sogar 2368. Seinen Schwerpunkt hat der Polnischunterricht im grenznahen Raum. Dort wird Polnisch auch als »Begegnungssprache« schon ab der ersten oder dritten Klasse unterrichtet. 1994 initiierte Brandenburg das Projekt »Spotkanie heißt Begegnung«, heute wird Polnisch als Fremdsprache in fünf Brandenburger Grundschulen unterrichtet. An der Grundschule Ostritz in Sachsen findet der Austausch nicht nur sprachlich statt. Einen Tag in der Woche lernen die Kinder in gemischten Gruppen der deutschen und der polnischen Partnerschule. Und wer anschließend die Mittelschule »Schkola Jonsdorf« besucht, muss das Fach »Nachbarschaft und Sprache« besuchen. Dort spielen dann auch die tschechischen Nachbarn eine wichtige Rolle. Trotz aller Bemühungen in den Grenzregionen gab es in Deutschland im Jahr 2006 nur knapp 7000 Polnisch lernende Schüler. Demgegenüber stehen in Polen über zwei Millionen Deutschlerner, hier allerdings Erwachsene mit eingeschlossen. »Man fragt sich, warum es umgekehrt funktioniert«, sagt Pawel Moras, Geschäftsführer des Deutsch-Polnischen Jugendwerks. Eine Antwort könnte die berufliche Orientierung sein. Während sich junge Polen Arbeitsmöglichkeiten im Westen erschließen wollen, scheinen sich junge Deutsche beruflich kaum nach Osten zu orientieren. Das könnte sich allerdings als Fehler erweisen. So hätten es Ärzte und Krankenpfleger in der Grenzregion immer öfter mit polnischen Patienten zu tun, erzählt David Fumanek, dessen Viadrina Sprachen GmbH Erwachsenenbildung betreibt. Und auch deutsche Bauunternehmen orientieren sich zunehmend nach Osten. »Durch die Vereinheitlichung des Arbeitsmarktes ist der Bedarf nach Polnisch längst da«, meint Pawel Moras. Verbreiteter Mangel an muttersprachlichen Lehrern Mathias Kneip vom Deutschen Poleninstitut Darmstadt kennt die Hemmnisse und Vorurteile, allen voran das verbreitete Argument: »Polnisch ist ja so schwer.« Kneip lässt dieses Argument natürlich nicht gelten: »Eine Sprache ist so schwer, wie die Motivation, sie zu lernen.« Solange Eltern und Schulen weder Interesse an der Sprache noch an dem Land vermitteln, solange werden sich auch nur wenige für den Polnischunterricht anmelden. Umgekehrt entsteht kaum Interesse, weil das Angebot schlecht ist. Es fehlen ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer, ein Polnisch-Lehrbuch für den Schulunterricht befindet sich noch in der Entwicklung. Kneip versucht also zunächst, in anderen Fächern auf Polen aufmerksam zu machen. So hat das Poleninstitut in Darmstadt etwa Lehrmaterialien für den Deutsch- und den Geschichtsunterricht entwickelt. Da geht es um das Wirken E.T.A. Hoffmanns in Warschau oder um die Texte polnischer Literaten wie Adam Mickiewicz oder Stanislaw Jerzy Lec. Das beste Mittel, die Neugier zu wecken, bleibt natürlich die persönliche Begegnung. Das Deutsch-Polnische-Jugendwerk fördert seit 17 Jahren den Schulaustausch, außerschulische Jugendbegegnungen, und Treffen von Multiplikatoren beider Länder. 1,8 Millionen junge Menschen hat das Jugendwerk in dieser Zeit zusammengebracht. Die Kenntnis der polnischen Sprache ist für diese Begegnungen keine Voraussetzung. Und auch die Bundesländer Brandenburg und Sachsen setzen auf den intensiven Schulaustausch mit dem östlichen Nachbarn. Neben der Frage der Motivation bestehen in den einzelnen Bundesländern aber auch institutionelle Hindernisse. »Lehrer, die an der Universität Krakow Polnisch als Fremdsprache studiert haben, dürfen in deutschen Schulen nicht unterrichten«, beklagt Pawel Moras. Das polnische Lehramtsstudium wird von den deutschen Ländern nur bedingt anerkannt. In Brandenburg können muttersprachliche Lehrkräfte in der Grundschule und Sekundarstufe I nach Einzelfallprüfung eingesetzt werden, in der Sekundarstufe II wird das schon sehr viel schwieriger. In Sachsen kommen muttersprachliche Lehrkräfte in den Begegnungsschulen zum Einsatz. Grundsätzlich gilt aber das erste und zweite Staatsexamen und die Lehrbefähigung in zwei Fächern als Einstellungsvoraussetzung. Nur dann, wenn niemand mit diesen Qualifikation gefunden wird, können auch Ausnahmen gemacht werden. Auf polnischer Seite stoßen die komplizierten Verhältnisse an den deutschen Schulen oft auf Unverständnis. Schließlich heißt es schon im deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag von 1991: »Die Vertragsparteien setzen sich nachdrücklich dafür ein, die Möglichkeiten auszubauen, in Schulen, Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen die Sprache des anderen Landes zu erlernen.« Auch eine Zusammenarbeit bei der Entsendung von Lehrkräften legt der Staatsvertrag fest. Nicht alle der in Deutschland für die Bildung zuständigen Landesregierungen fühlen sich dadurch angesprochen. Die polnischen Bildungspolitiker stoßen so auf deutscher Seite auf 16 unterschiedliche Verhandlungspartner. Mauerblümchendasein in der Hauptstadt In Brandenburg hatte man mit der Begegnungssprache Polnisch sowie mit der Verpflichtung für Europaschulen, Polnischangebote zu machen, ehrgeizige Pläne. Angebote scheiterten eher am mangelnden Interesse von Schülern und Eltern. Die Polnisch-Verpflichtung für Europaschulen stehe nun auf dem Prüfstand, so Stephan Breiding. Ruth Henning von der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Brandenburg fordert wiederum, beim Polnischunterricht zugleich ab der dritten Klasse nicht erst in der siebten mit dem Englischunterricht zu beginnen, da dies viele Eltern zurückschrecken ließe. Dies würde man zwar gerne, könne man aber aus organisatorischen Gründen nicht, meint Breiding. Dafür könnte der Englischunterricht ab der siebten Klasse aber intensiver gestaltet werden. Wie es mit dem Polnischunterricht in Brandenburg weitergeht, wird auch Thema bei einem für 2009 geplanten Runden Tisch mit polnischen Bildungspolitikern sein. Noch schlechter sieht es übrigens in Berlin aus, das mittlerweile immerhin eine vielköpfige polnische Community beherbergt. Polnisch als Fremdsprache führt in der Hauptstadt ein Mauerblümchendasein. Einen erheblichen Anteil an den 470 Polnischschülern Berlins dürften polnische Kinder und Kinder bilingualer Eltern haben, die an der Europaschule angemeldet sind.