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Frank Schröder ist einer der beiden Autoren der deutschen Synchronfassung der vielgelobten US-Serie „The Wire“. Im Interview mit dem Babbel-Blog spricht er über die Schwierigkeiten bei der Übersetzung der dialogreichen Serie, die den Alltag von Polizisten und dem Drogendealermilieu in Baltimore schildert. Sie läuft seit September im deutschen Pay-TV. Schröder führte nicht nur Regie bei der Synchronisation der ersten Staffel, sondern spricht auch eine der Rolle – die des Polizisten Herc (siehe Bild).
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Babbel-Blog: In den USA war es wohl so, dass selbst US-Amerikaner die Serie mit Untertitel sehen mussten, weil der Slang so unverständlich für ungeübte Ohren war. Mussten sie da als Autor der Synchronfassung erst einmal schlucken?
Frank Schröder: Ich musste erstmal schlucken und habe dann auch, als die Rohübersetzung der ersten Folgen fertig waren – da habe ich mir sie zusammen mit der „Continuity“, d.h. mit dem englischen Drehbuchtext und der deutschen Rohübersetzung angeschaut. Dadurch konnte ich viel mehr verstehen als bei der ersten Ansicht. Mein Englisch ist jetzt nicht das Schlechteste, aber es war dann doch an einigen Stellen verständlicher.
Wie übersetztz man jetzt Begriffe „Re-up“, wenn es um Drogennachschub oder „High-Rise“, wenn es um die Wohnprojekte geht? Was benutzt man im Deutschen daür?
Der Rohübersetzer, der Herr Schröter, ist ein sehr guter aus der Branche. Er ist ein sehr großer Fan der Serie, er kannte sie schon vorher, was sehr von Vorteil war. Ein Rohübersetzer übersetzt vorab ins Deutsche. Wir als Autoren machen uns ja daran, dass der Dialog stimmig ist, dass er inhaltlich stimmt, dass er lippensynchron ist. Der Rohübersetzer hat da schonmal eine sehr gute Vorarbeit geleistet, hat sich sehr reingehängt in die Systematik. Und hat von sich aus schon einmal Vorschläge gemacht. Und Frank Turba, mein Autorenkollege, und ich, wir haben uns dann noch einmal beraten, was wir denn mit den speziellen Begriff sagen wollen, was wir da am besten nehmen.
Als Beispiel: Die „Projects”, die sehr viel genannt werden in der ersten Staffel. Der unbedarfte Zuschauer wird damit nicht viel anfangen können. Wir haben nur ganz am Anfang von „Sozialbauten“ etc. gesprochen – so haben wir eine Erklärung gegeben und haben dann den Begriff „Projects“ eingeführt. Und konnten dann dementsprechend immer bei „Projects“ bleiben.
Was die „Low-Rises“ bzw. „High-Rises“ angeht, da haben wir allerdings die deutsche Formulierung genommen: Flachbauten bzw. Hochhaus oder Hochhaussiedlung.
Zentraler Begriff ist – eben auch namensgebend – „the Wire“, das kann man ja auch nicht sinnvoll wörtlich ins Deutsche übersetzen. Was benutzen sie dafür?
Der Titel bleibt. Die Serie heißt auch bei Premiere (Pay-TV Sender) „The Wire“. Wir haben es innerhalb des Textes „Abhöraktionen“ genannt; in der ersten Staffel geht es ja hauptsächlich um telefonischen Abhöraktionen.
Im Englischen spricht man etwa von „Lingo“, der ganze Drogenslang gehört dazu. Wenn man so will, gibt es ja auch einen deutschen Drogenslang – orientieren sie sich daran?
Wir haben teilweise hier und da etwas aus dem deutschen Drogenslang übernommen. Insgesamt ist die ganze Slang-Geschichte schwierig. Weil er so gut im Original dargestellt ist, dass wir sicherlich einige Schwierigkeiten hatten diesen Slang im Deutschen rüberzubringen. Das ist fast unmöglich.
Wir haben es so gemacht, dass die Sprecher, die wir für die einzelnen Personen genommen haben, gänzlich auf saubere Sprache verzichten – ansonsten wird beim Synchronen ja sehr darauf geachtet, dass gut artikuliert wird etc..
Das heißt: verschleifen – verschleifen meint, es muss nicht jedes Wort exakt sauber gesprochen werden. Bei den Worten „ist“ oder „nicht“ etwa gänzlich ohne die „T´s“ hinten; die Worte sollen aus dem Mund purzeln und nicht sauber artikuliert herüberkommen.
Worauf man bei Synchron sonst noch achtet, ist eine reine Sprache. D.h. keine Rachenlaute, nasale Laute, „Spuckeklacker“ etc.. Es wird vornehmlich drauf geachtet, dass so etwas nicht passiert oder dass solche Aufnahmen nicht genommen werden. Doch bei dieser Serie haben wir so etwas in Kauf genommen. Die Slums, die Ghettos, das auf-der-Straße, das sollte nach Möglichkeit authentisch rüberkommt: Dass die Leute halt nicht sehr sauber, sehr fein sprechen. Die können dann auch mal – ich halte jetzt mal ein bisschen die Nase zu – hier und da nasaler sprechen, manchmal Spuckeklacker haben – eben nicht so sauber sprechen, damit es rüberkommt.
Im Ganzen ist das sehr schwer, diesen Slang rüberzubringen wie im Original. Sicher haben wir Szenesprache eingefügt; momentan modische Sprache ist aber mit Vorsicht zu genießen, weil was heutzutage Gang und Gebe ist, ja auch Modesprache ist – einmal synchronisiert, immer synchronisiert. Wenn sich jemand die Serie in fünf oder sieben Jahren anguckt, könnte die Modesprache, die wie sie heute hier in Deutschland auf der Straße gesprochen wird, gar nicht mehr „in“ sein oder die Leute sprechen sie überhaupt nicht mehr. Deshalb muss man mit solchen Geschichten aufpassen.
Um die Einfachheit aus diesen Slums oder Ghettos rüberzubringen, haben wir nicht auf exaktes Deutsch geachtet. „Wegen des Fahrrads“- spricht dort niemand, sondern „wegen dem Fahrrad“ – an dieser Stelle also beispielsweise falsches Deutsch. Teilweise haben wir andere Satzstellungen verwendet, manchmal einen amerikanischen oder englischen Satzbau.
Sie sprechen eine der Rollen, „Herc“, einen der Polizisten. Einer dessen Sprüche ist: „We tune‘em up, beat‘em up, lock‘em down.“ Wie bringt man solche Redensarten, die Herc öfters von sich gibt, im Deutschen rüber?
Diese Sachen wurden unterschiedlich gelöst, es kam immer auf die Situation an. Wir haben Listen erstellt mit bestimmten Begrifflichkeiten, die wir untereinander ausgetauscht haben. Wir mussten uns ja sehr eng zusammenschließen – wenn verschiedene Autoren an so etwas arbeiten, wie in diesem Fall wir zwei, muss man ständig Informationen austauschen. Es kam dann immer darauf an, in welchem Zusammenhang diese Person gerade diese Sätze sagt. Und wenn schon jemand eine Übersetzung dafür vorher gefunden hatte, muss man schauen, ob sie in der nächsten Situation wieder passt.
Ich erinnere mich an eine Szene in der ersten Staffel, da untersuchen zwei Mordermittler einen Tatort und geben nur das Wort „Fuck“ von sich.
Eine herrliche Szene, die geht über Minuten, wunderbar.
Da wird zwanzigmal „Fuck“ gesagt, haben sie das einfach so übernommen?
Es gab eine kurze Beratung zwischen uns, aber uns war eigentlich völlig klar: Hier kann es nur so lauten wie im Original. Wir haben zwanzigmal „Fuck“, „Fucker“, „Fucking“ usw. sagen lassen, es ist dabei geblieben.
Eines der wichtigsten Worte ist ja dieses „Fuck“ – haben sie das generell übernommen oder führen sie deutsche Schimpfworte ein?
Wir haben „Fuck“ übernommen. Nicht gänzlich: In tausend Fällen – also wenn in hundert Sätzen hintereinander und in jedem Satz dreimal das Wort „Fuck“ genannt wird, das belastet sehr, auch die Zuschauer – das kann zu einer Überfrachtung führen. Wir haben es prinzipiell gelassen. Hier und da an einigen Stellen, wenn es Überhand nahm und im Deutschen einfach nur gekünstelt oder nicht so schön klang, haben wir es in irgendein Wort wie „Scheiße“, „verschissen“ oder „verfickt“ geändert. Wir sind dem Sprachgebrauch gefolgt den das Original vorgibt, der manchmal sehr ins Derbe geht.
Wieviele Sprecher und Sprecherinnen haben an der Produktion mitgearbeitet?
Für die erste Staffel mussten wir schon sehr viele aus der Branche rekrutieren. Abgesehen von unseren Hauptrollen, die sowieso immer dabei waren, waren auch sehr viele kleine Rollen zu besetzten. Schwer zu sagen, wie viele es waren – bestimmt an die 40-50 Sprecher.
Wie lange haben sie an der ersten Staffel gearbeitet?
Es ging im Juli mit dem Projekt los und vor einer Woche (Anfang Oktober 2008) haben wir die erste Staffel beendet.
Arbeiten sie jetzt direkt an der zweiten?
Die zweite Staffel ist gerade eingetroffen und wir machen uns langsam an die Arbeit.
Wie finden sie die Serie?
Sehr gut, eine sehr gut gemachte Serie in Allem. Kamera: sehr gut Regiearbeit: sehr gut. Die Darsteller: sehr gut, sehr gutes Casting. Alles in alles sehr stimmig.
Manchmal, wenn man Serien betreut, hat man den Effekt, dass man nach einer gewissen Anzahl von Folgen merkt, dass den Machern weniger einfällt – es gehen ihnen die Inhalte aus. Das fällt dann manchmal innerhalb der Serie am Spiel der Darsteller auf bzw. inhaltlich wird sie nicht mehr wirklich relevant weitergetragen.
Das hat man in dem Fall von „The Wire“ überhaupt nicht. Wenn man sich Folgen ansieht oder beim Texten davor sitzt – man hat niemals das Gefühl, hier kommt jetzt gerade eine Szene, die ist ein bisschen eigenartig gespielt, da gingen ihnen wohl der Inhalt aus oder da wussten sie nicht so recht, wie sie das transportieren soll. Niemals. Es gibt nicht ein Szene, zumindest bis jetzt in der ersten Staffel, wo man das Gefühl hat, hier hängt jetzt gerade die Serie durch, hier wird es jetzt gerade ein bisschen schwächer – toll, eine ganz tolle Serie.
Haben sie einen Lieblings-Charakter?
„McNulty“ liegt schon vorn. Dazu würde ich auf jeden Fall „Omar“ zählen, den finde ich sehr interessant,
In den USA war Bubbles wohl ein Publikumsliebling. Was halten sie von dem?
„Bubbles“ kommt auch sehr gut rüber. Eine sehr niedliche Person, also niedlich in einem bestimmten Zusammenhang. Den finde ich sehr sympathisch, sehr gut dargestellt. Es gibt sehr viel Charaktere, die einfach sehr gut rüberkommen. Auch beispielsweise „Kima“, die „Greggs“ – als Person, ganz toll wirkt die. Ich hoffe, dass wir sie auch im Deutschen gut getroffen haben. Und ich habe auch den Eindruck im Atelier. Also mit unserer Besetzung durch Katrin Zimmermann wird sie ganz toll rüberkommen.
Es gibt da richtig gute Charaktere. Und die Arbeit mit denen macht richtig Spaß, sowohl im Atelier als auch zu Hause mit den Büchern beim Texten.
Ich bin gespannt, wie die Serie im deutschen Fernsehen ankommen wird. Sie läuft schon bei Fox, einem Spartenkanal bei Premiere. Ich kann mir fast überhaupt nicht vorstellen, dass sie dort bleiben wird. Irgendwann wird die Serie später auch im Free-TV laufen. Mal schauen.
Erschienen bei Babbel-Blog (24.10.2008).