Die Misere auf den städtischen Wohnungsmärkten und die Rolle einer Bundesanstalt
Von Jutta Blume
Die Mieten in deutschen Großstädten und Universitätsstädten explodieren. Menschen mit geringen Einkommen finden kaum noch eine neue Wohnung, Erstsemester müssen monatelang von Couch zu Couch ziehen, bevor sie eine feste Bleibe finden. Nachdem sie erst den sozialen Wohnungsbau abgeschafft und dann kommunale Bestände en bloc verscherbelt haben, entdecken nun Städte und auch die Bundesregierung die Wohnungspolitik neu.
Die Bundesregierung hat im März einen Gesetzentwurf zur sogenannten „Mietpreisbremse“ vorgelegt. Demnach darf die Miete auch bei neuen Vertragsabschlüssen nicht mehr als 10% über der vorherigen Miete der jeweiligen Wohnung liegen. Dies gilt allerdings nur für Gebiete mit „angespannten Wohnungsmärkten“.
Vor wenigen Tagen ruderte Bundesjustizminister Heiko Maas allerdings schon wieder zurück. Bei Erstvermietungen im Neubau sollte es ohnehin keine Obergrenze geben, jetzt sollen Neubauten auch bei Folgevermietungen ausgenommen werden und die Gültigkeit des gesamten Gesetzes vielleicht auf nur fünf Jahre begrenzt werden. „Wir wissen, dass zurzeit viel in den Wohnungsbau investiert wird. Diese Investitionsbereitschaft wollen wir erhalten“, erklärte Maas gegenüber dpa. Schon jetzt zeichnet sich ab: Die sogenannte Mietpreisbremse wird nicht viel mehr als kurzzeitige Kosmetik am Wohnungsmarkt.
Berlin hat zwar noch nicht das höchste Mietniveau, ist aber besonders stark von Mietsteigerungen betroffen. 2013 stiegen die Angebotsmieten laut Investitionsbank Berlin um 8,8%. Der Berliner Senat hat, nachdem jahrelang von einem entspannten Wohnungsmarkt die Rede war, langsam begonnen umzusteuern. Dazu gehört, dass die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften einen Teil der Wohnungen zurückgekauft haben, die sie noch in den 90er Jahren massenhaft verkauften und selbst wieder anfangen, „bezahlbare Wohnungen“ zu bauen.
Doch es ist so eine Sache mit den bezahlbaren Wohnungen in Berlin. Auch die Neubauten der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften sollen in der Regel zwischen 8 und 10 Euro/qm nettokalt kosten, und damit sind sie beispielsweise für ALG2-Beziehende, aber auch für viele Geringverdienende nicht bezahlbar, deren Einkommen kaum höher ist als die staatliche Grundsicherung. Zur neuen Wohnungspolitik gehört auch eine neue Liegenschaftspolitik.
Der Berliner Liegenschaftsfonds, zuständig für die Vermarktung nicht mehr benötigter städtischer Immobilien, verkaufte in der Regel meistbietend. Bereits 2010 beschloss das Abgeordnetenhaus eine Neuausrichtung der Liegenschaftspolitik, in der Koalitionsvereinbarung wurde diese ebenfalls festgeschrieben. Doch die Änderungen stecken noch immer im politischen Prozess fest. Dadurch wurde quasi das Moratorium erreicht, das etwa die Initiative Stadt Neu Denken fordert.
Verkauf von Bundesimmobilien
In den Diskussionen um die Wohnungspolitik bleibt ein Akteur meist im Hintergrund, nämlich die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Die Bima wurde 2004 geschaffen, in ihren Aufgabenbereich fällt der Verkauf für Bundeszwecke nicht mehr benötigter Liegenschaften. Nach einem Bericht des Tagesspiegel soll die Anstalt jährlich 400 Millionen Euro in den Bundeshaushalt spülen. Aktuell im Angebot sind etwa Baugrundstücke in Berlin Mitte, ehemalige Hochbunker in Münster und Kassel, ein Barockpalais in Mainz, sowie Gewerbeflächen und Wohnhäuser.
Zuständig ist die Bima etwa für Konversionsflächen, d.h. ehemals militärisch genutzte Flächen, die nun einer zivilen Nutzung zukommen sollen. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD sieht ein Programm zur verbilligten Abgabe von Konversionsliegenschaften mit 100 Mio Euro innerhalb von 4 Jahren vor. Gesetzlich ist dies noch nicht näher ausgestaltet. Davon abgesehen gilt die Wirtschaftlichkeitsbindung, die es der Bima untersagt, Grundstücke, Gebäude und Liegenschaften unterhalb des Marktwertes zu veräußern.
Wie in keiner anderen Stadt ist Berlin von geplanten Verkäufen der Bima betroffen, gegen die sich immer heftiger werdender Protest regt. Zentral gelegen in Kreuzberg ist zum zweiten Mal ein Gewerbegrundstück ausgeschrieben, auf dem auch Wohnungen gebaut werden könnten. Das knapp 5 Hektar große Grundstück ist bereits zum zweiten Mal im Angebot. Die Hamburger Projektentwickler ABR German Real Estate hatten für 22 Millionen Euro den Zuschlag erhalten und planten unter anderem die Erstellung von hochpreisigen Eigentumswohnungen und Neubau durch Baugruppen. Letztendlich zahlte die German Real Estate nicht, mutmaßlich aufgrund von Differenzen mit dem Bezirk, der über die Schaffung bezahlbarer Wohnungen und „soziale Bodennutzung“ auf dem Gelände diskutiert. Da noch eine Änderung des Bebauungsplans ansteht, hat der Bezirk durchaus noch Einflussmöglichkeiten.
Während bei der Bima bis zum 31.7. vermutlich wieder Gebote in ähnlicher Höhe wie beim ersten Mal eingehen, fordern im Bündnis „Stadt von unten“ organisierte Berliner 100% Mietwohnungen, 100% Teilhabe, 100% soziale Mieten (auch für Bezieher von Sozialleistungen) und 100% dauerhafte Absicherung. „Wir fordern ein Verkaufsmoratorium oder eine Abgabe an das Land Berlin“, erklärt Enrico Schönberg vom Bündnis. Allerdings liegt die Schwierigkeit bei der Abgabe an das Land vor allem bei den Preisvorstellungen der Bima.
„Nach den Bestimmungen der Bundeshaushaltsordnung (BHO) dürfen für Bundeszwecke entbehrliche Liegenschaften grundsätzlich nur zum vollen Wert (§ 63 BHO) veräußert werden. Der volle Wert ist der Markt- oder Verkehrswert, den die Bundesanstalt grundsätzlich im Rahmen eines offenen Bieterverfahrens am Markt ermittelt“, heißt es in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen vom 11. Juli. Bestehe besonderer Bedarf eines Landes, einer Kommune oder einer anderen Gebietskörperschaft zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgaben, könne der Verkehrswert auch über ein Gutachten ermittelt werden. Die Wohnraumversorgung scheint aber immer noch nicht zu den öffentlichen Aufgaben zu zählen.
„Ob wir mit unseren Forderungen eine Chance haben, kommt im Wesentlichen auf die Dauer der Verkaufsverhandlungen an“, meint Schönberg. Von der Gebotsabgabe bis zum Vertragsabschluss könne noch einige Zeit verstreichen. Er spekuliert dabei auf eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Bima-Gesetzes, die seit neuestem auch von Berlin unterstützt wird.
Mieter fürchten Verdrängung
Politische Solidaritätsbekundungen von SPD, Linken und Grünen erhalten die Mieter von drei Altbauten in Schöneberg, die ebenfalls meistbietend von der Bima verkauft werden sollen. Ein Angebot der kommunalen Gewobag, das sich auf Grundlage der Mieteinnahmen berechnete, war der Bima zu niedrig. „Somit wäre der Verkauf dieses Bundeseigentums nur für Spekulanten interessant“, schreibt die über 70-jährige Mieterin Barbara Tharra an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie fürchte durch Modernisierung und Umwandlung in Eigentumswohnungen verdrängt zu werden. Sie weist auch auf die gewachsene und hilfsbereite Nachbarschaft hin, die sie im hohen Alter nicht missen möchte. „Bislang scheiterte jedes Übereinkommen mit der Bima am Preis, denn die Bima kalkuliert den Verkaufspreis auf der Grundlage von leeren Wohnungen, die in Eigentumswohnungen umgewandelt werden sollen. Dass in den Wohnungen aber Menschen leben, wird einfach ignoriert. Damit wird der Bund zum Mietpreistreiber und Verdrängungsmotor“, meint Katrin Schmidberger von den Berliner Grünen.
Angela Merkel hat den Brief nicht beantwortet. Aber auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak spricht sich inzwischen dafür aus, dass die Bima ihre Immobilien nicht ausschließlich zum Höchstpreis verkauft. Die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger beklagt: „Bislang scheiterte jedes Übereinkommen mit der Bima am Preis, denn die Bima kalkuliert den Verkaufspreis auf der Grundlage von leeren Wohnungen, die in Eigentumswohnungen umgewandelt werden sollen. Dass in den Wohnungen aber Menschen leben, wird einfach ignoriert. Damit wird der Bund zum Mietpreistreiber und Verdrängungsmotor.“
In Berlin sind die Schöneberger Mietshäuser kein Einzelfall. 5100 Wohnungen besitzt die Bima in Berlin, über 1100 sollen bis 2017 verkauft werden. Bundesweit sind es 71.000 Wohnungen, 58.000 davon sind vermietet, 7096 sollen in den nächsten zwei Jahren verkauft werden. Pro Monat erzielt die Bundesanstalt Mieteinnahmen in Höhe von 16 Millionen Euro (nettokalt). Sie unterliegen keiner Mietpreisbindung und sind nicht auf die Belange einkommensschwacher Mieter/innen ausgelegt, wie aus der Antwort auf eine weitere Kleinen Anfrage der Grünen hervorgeht.
Ein weiterer Immobiliendeal mit der Bima ist in Berlin bereits Anfang April genehmigt worden: der Verkauf des ehemaligen Bürohauses des Bundesbauamts in Friedrichshain an die Cresco Capital Studenthouse Projektentwicklung GmbH für das Höchstgebot von 15,75 Millionen Euro. 11,2 Millionen hatte die Bima ursprünglich haben wollen. Einem Bericht der Berliner Zeitung vom 17.3. zufolge plant der luxemburgische Investor hochpreisige Studentenapartments mit Mieten von rund 20 Euro/qm. Rund 280 Apartments sollen in dem ehemaligen Bürogebäude Platz finden, 160 weitere in zwei Neubauten auf der Rückseite der Bürozeile. Auch die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Mitte hätte Interesse an dem Grundstück gehabt, konnte aber mit dem kommerziellen Investor nicht mithalten. Weder Bezirk noch Senat zeigten sich von dem Deal begeistert, entscheiden durfte aber nur der Haushaltsausschuss des Bundestages.
Ob die Umwandlung der Bundesimmobilie in teure Studentenwohnungen wohl im Sinne von Ex-Bauminister Peter Ramsauer ist? Dieser hatte vor einem Jahr bei einem Runden Tisch „Wohnraum für Studierende“ vorgeschlagen, freie Büroimmobilien und militärische Liegenschaften in Studentenunterkünfte umzuwandeln. Allein von 20 Euro/qm war dabei nicht die Rede.