Prof. Dr. Uwe Leprich, Wirtschaftswissenschaftler an der Hochschule für Technik und Wirtschaft im Saarland, ist Verfasser der von Greenpeace in Auftrag gegebenen Studie »EnBW AG: Perspektiven eines Energiekonzerns«. Mit ihm sprach Haidy Damm über die Perspektiven für EnBW nach dem Regierungswechsel in Baden-Württemberg.
Die alte Landesregierung unter Stefan Mappus (CDU) hat Baden-Württemberg in den Besitz des Stromkonzern EnBW gebracht. Der designierte Landeschef Winfried Kretschmann (Grüne) spricht von einem »schweren Erbe«, seine Partei vom Umbau des Konzerns zu einem Ökostromanbieter. Welche Perspektiven gibt es für EnBW?
Die fetten Jahre sind vorbei, das macht einen Konzernumbau extrem schwierig. Denn die bisherigen Hauptsäulen, also Kernenergie und Kohle, brechen weg und bieten keine Perspektive. Deshalb braucht der Konzern eine grundsätzliche Umorientierung.
Welche tatsächlichen Möglichkeiten hat die neue Landesregierung, Einfluss auf das operative Geschäft zu nehmen?
Die Landesregierung hat einen Anteil von rund 45 Prozent an EnBW, da hat sie natürlich Gestaltungsmöglichkeiten. Das gilt umso mehr, wenn sie sich mit dem zweiten großen Anteilseigner OEW, also den Landkreisen Baden-Württembergs, abstimmt. Gemeinsam besitzen sie über 90 Prozent der Anteile. Allerdings ist es schwierig, Maßnahmen zu treffen, die die Gewinne massiv drücken würden. Denn es gibt noch eine kleine Anzahl von Restaktionären, die dagegen vorgehen könnten. Also mal salopp gesagt, wenn die Landesregierung sagt, wir schalten alle vier Atomkraftwerke sofort ab, kann das unter Umständen aktienrechtlich ein Problem sein. Wenn das Land wirklich freie Hand haben möchte, sollten die beiden Anteilseigner versuchen, die restlichen Aktien in Besitz zu bekommen.
Eine andere Möglichkeit wäre der Verkauf der Aktien.
Ich gehe davon aus, dass das Land die Anteile auf absehbare Zeit nicht verkaufen kann. Zumindest bei Weitem nicht zu dem Preis, den man jetzt bezahlt hat. Daher ist die Regierung in der Verantwortung, Weichen zu stellen. Etwa über die Besetzung des Vorstandes und des Aufsichtsrates.
Welche strategischen Veränderungen schlagen Sie vor?
Ich komme in meiner Studie zu dem Schluss, dass eine regionale Reorientierung ansteht mit einem Standbein als regionaler Infrastrukturdienstleister und einem als Regionalversorger mit breitem Versorgungsportfolio. Zudem sollte EnBW den Anteil regenerativer Energien erheblich ausbauen, z. B. im Bereich Offshore und Onshore Wind. Und sie könnten sich im Bereich solar-thermischer Stromerzeugung in Spanien und Südeuropa stärker engagieren, auch das ist eine Zukunftsoption.
EnBW bezieht seine Umsätze nur zu einem sehr geringen Anteil aus erneuerbaren Energien. Wie schnell ist der Atomausstieg in Baden-Württemberg möglich?
Ich denke nicht, dass die Landesregierung einen Sofortausstieg anstrebt, sondern sich möglicherweise zurückzieht auf das Ausstiegsgesetz aus dem Jahr 2000. Die beiden alten Meiler Philippsburg I und Neckarwestheim I würden allerdings stillgelegt bleiben. Die anderen beiden könnte man theoretisch im Rahmen des Ausstiegsgesetzes bis Ende des Jahrzehnts weiterbetreiben, aber nach der Katastrophe in Japan sind auch kürzere Zeitpläne vorstellbar.
Und der Ausbau der erneuerbaren Energien?
Da gibt es ein enorm großes Potenzial. Baden-Württemberg hinkt bei der Windenergienutzung von allen Bundesländern am stärksten hinterher. Die bisherige Landesregierung hat den Ausbau verhindert. Hier muss die neue Regierung Weichen stellen. Allerdings auch nicht überhastet, denn es geht auch um die Akzeptanz der Anlagen. Für den Ausbau müssten zunächst die Rahmenbedingungen geändert werden. Die Hauptstichworte sind der Abstand der Windanlagen zu Siedlungen und zu Häusern sowie die Höhenbegrenzung bei Windanlagen. Unter geänderten, windfreundlicheren Rahmenbedingungen gibt es schon viele Akteure, die in den Startlöchern stehen.
Ein Konzernumbau kann sehr teuer werden. Kann EnBW auch zum Sanierungsfall für die neue Landesregierung werden?
Das ist vielleicht eine etwas zugespitzte Formulierung. Es gibt ja noch Einnahmen zumindest aus zwei Kernkraftwerken. Es gibt auch Einnahmen aus Kohlekraftwerken. Aber das wird alles sehr viel weniger sein als in der Vergangenheit. Zudem plädiere ich dafür, dass EnBW das Übertragungsnetz verkauft, denn ein Großstromerzeuger in Deutschland sollte das Übertragungsnetz nicht besitzen. E.on und Vattenfall haben ja schon verkauft, RWE ist dabei zu verkaufen. Und das sollte EnBW auch tun. Es muss hier eine eigentumsrechtliche Trennung geben. Auch damit käme Geld in die Kassen. Allerdings, wenn sich Konzern und Landesregierung nicht schnell genug umorientieren und eine ganz neue Perspektive entwickeln, sondern nur darauf setzen, möglichst lange noch die alten Kraftwerke zu betreiben, dann kann es natürlich sein, dass sie von der Zeit überrollt werden.