Gamer wehren sich dagegen auf die üblich ignorante Weise. Dabei kann man ihren Trotz auch verstehen
Die Motorsäge macht immer noch Angst. Auch im fünften Teil der Computerspielserie Resident Evil ist einer der Gegner ein Hüne mit so einem Gerät. Besiegt man ihn nicht, versenkt er es in den Hals der Spielfigur, der Joystick zuckt dann dank der eingebauten Vibrationstechnik in der Hand des Spielers.
Der Titel, der Mitte März auf dem europäischen Markt erschienen ist, sorgt für große Kontroversen: Hat die in Westafrika angesiedelte Handlung rassistischen Gehalt? Man steuert einen weißen Protagonisten, schaut ihm über die Schulter, wie er sich zusammen mit einer schwarze Begleiterin, die wahlweise auch ein Mitspieler steuern kann, Horden von Gegnern mit Hieb-, Stich- und Schusswaffen erwehrt. Es sind überwiegend Schwarze, die von einem Virus befallen wurden, der Zombies aus ihnen macht und die deswegen niederzustrecken sind. „Survial Horror“ nennt sich dieses Genre.
Rotgeränderte Augen in hochauflösender Grafik, gutturale Laute, abgerissene Kleidung sowie ein staubiges Szenario aus Wellblechütten und Autowracks unter einer strahlenden Sonne runden das Bild ab, dem sich auch Hollywood-Filme wie Blood Diamonds bedienten.
Bereits im Sommer 2007 war Kritik laut geworden, als erste Ausschnitte aus dem Spiel im Netz zu sehen waren. Eine Bloggerin in den USA verwies auf die problematische Darstellung der Schwarzen als „Wilde“, die ein weißer Mann in Militärkleidung reihenweise tötet. Andernorts wurde eine Verbindung zwischen dem Zombie-Virus und HIV gezogen.
Aus den Reihen der Gamer ernteten diese Hinweise in den Kommentaren auf zahlreichen Webseiten meist verächtliche Reaktionen. Das Argumentationsprektrum deklinierte die übliche Palette der Ignoranz durch: Es sei selber rassistisch, wenn man von Rassismus spräche, da man damit die Existenz von Rassen anerkenne. Oder: In besagtem Spiel habe man in einem anderen Tell zahllose Zombie-Spanier töten müssen, da habe niemand von Rassismus gesprochen.
„Mein Gott, die sollen mal aufhören so eine Scheiße zu labern – hallo, das ist ein Videospiel“, ist auch jetzt wieder in Foren zu lesen, denn die Rassismusproblematik wurde mit der Veröffentlichung von Resident Evil 5 erneut thematisiert. Viele der „Core-Gamer“ fühlen sich als ewige Buhmänner abgestempelt , die seit Jahren anhaltende Killerspieldebatte ist längst noch nicht ausgestanden. Jetzt nicht noch eine Rassismusdebatte, so lautet der Tenor.
Zum Teil ist diese Haltung nachvollziehbar. Sehr schnell werden Computerspiele zum Sündenbock gemacht, wie der Amoklauf von Winnenden zeigt. Der Ruf nach Verboten kommt oft von Leuten, die sehr wahrscheinlich noch nie ein „Killerspiel“ gespielt haben. Sie kennen diese nur aus der Zuschauerperspektive; sie wenden die Interpretationsmuster an, die sie aus dem passiven Betrachten von bewegten Bildern im Fernsehen kennen. Das aktive Agieren und Reagieren im Spiel, der dabei einsetzende „Flow-Effekt“, hat nur noch sehr wenig mit der Rezeption von Filmen zu tun – und ob dann Schwarze oder blutrünstige Außerirdische die Gegner sind, scheint in der akuten Spielsituation relativ egal. Das rechtfertigt aber nicht eine Haltung, die Spiele und ihre Handlung nicht in einen gesellschaftlichen Kontext eingebettet sieht, in der Rassismus gegenüber Schwarzen zur Tagesordnung gehört.
Seitens des japanischen Spieleherstellers Capcom, der 1997 den ersten Titel der erfolgreichen Serie auf den Markt brachte, weist man Rassismusvorwürfe von sich. Um die zu entschärfen hat man offensichtlich gegenüber der 2007 zu sehenden Version, Änderungen vorgenommen; neben der Ergänzung einer schwarzen Begleitperson für den weißen Protagonisten, wurden manche der Zombies auch mit weißer Hautfarbe ausgestattet. Immerhin geht es um eine sehr lukrative Serie; seit dem Erscheinen des erstens Teils 1997 hat die Resident Evil-Serie, im japanischen Original mit Biohazard betitelt, rund 25 Millionen Exemplare verkauft und drei Kinofilme hervorgebracht.
Ein Sprecher der Firma, Chris Kramer, räumte ein, dass es in Japan für das Rassismusthema möglicherweise weniger Sensibilität gebe als in den USA. Gegenüber dem Wall Street Journal sprach Kramer aber davon, dass der aktuelle fünfte Teil sogar „antikolonialistisch“ sei. Der Held und seine Gefährtin müssten schließlich die afrikanischen Einwohner vor den Untaten eines multinationalen Pharmakonzerns aus dem Norden schützen.
(freitag.de 28.3.09)