Ein sehr weites Feld (Maja Schuster & Jürgen Weber)

Maja Schuster & Jürgen Weber

Im Jahr 1983 stellten das US-amerikanische Unternehmen Monsanto sowie das Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung erstmals Methoden zur gentechnischen Veränderung von Pflanzen vor. Wenngleich gentechnisch veränderte Nutzpflanzen in nur wenigen Ländern kommerziell angebaut werden, drängen sie heute massiv auf den Weltmarkt. Der Begriff „Grüne Gentechnik“ bezeichnet Verfahren, bei denen gezielt Eingriffe in das Erbgut von Pflanzen vorgenommen werden. Anwendungsgebiete sind die Landwirtschaft und der Lebensmittel- und Arzneimittelsektor. Das Ziel ist es, Saatgut von Pflanzen zu verbessern oder die Herstellung von Medikamenten zu vereinfachen. Grüne Gentechnik ist ein Wachstumsmarkt: Das Unternehmen Monsanto zum Beispiel hat im Geschäftsjahr 2007 bei einem Umsatz von 8,6 Milliarden US-Dollar einen Nettogewinn von 993 Millionen US-Dollar erzielt.

Wie werden Pflanzen verändert?

Die Methoden und Verfahren, die auf den Kenntnissen der Molekularbiologie aufbauen, beinhalten eine neue Qualität in der Geschichte der Pflanzenzüchtung: Es entstehen gentechnisch veränderte Organismen (GVO), Pflanzen mit verändertem Genmaterial, neuen genetischen Eigenschaften und Inhaltsstoffen, beispielsweise werden Resistenzen gegen Pestizide oder Schädlinge eingebaut. Pflanzen können so modifiziert werden, dass sie selber Gifte produzieren, die Insekten vernichten, oder Lebensmittel werden verändert, um sie lange haltbar zu machen. Bei der „Flavr-Savr“-Tomate, die 1994 als erstes gentechnisch verändertes Lebensmittel auf den Markt kam, verhindert ein zusätzliches Gen, dass die Tomate „matschig“ wird.

Mehr Infos unter:

www.mpiz-koeln.mpg.de
www.heise.de/tp/r4/inhalt/wissenschaft.html
www.eco-risk.at
www.bmelv.de

Pro und Kontra

Grüne Gentechnik wird kontrovers diskutiert. Befürworter/innen erhoffen sich höhere Ernteerträge, die Verbesserung der Qualität von Inhaltsstoffen, die Erhöhung der Widerstandsfähigkeit gegen Schädlinge, Krankheiten und Umweltbelastungen und die Stärkung der pflanzeneigenen Nährstoffversorgung und damit die Verminderung des Düngemittelverbrauchs. Die möglichen Ertragssteigerungen von Pflanzen sollen neue Perspektiven für die Lösung des globalen Ernährungs- und Treibstoffproblems (Stichwort Agrokraftstoffe) eröffnen.

Mehr Infos unter:

www.profil.iva.de/html/index.php
www.biosicherheit.de
www.transgen.de/home

Landwirtschaftliche Produzenten/innen gemeinsam mit Verbraucherschützern/innen, Umweltverbänden und kritischen Konsumenten/innen aller Altersstufen sehen dies anders: Sie befürchten negative Folgen für das gesamte Ökosystem durch Absonderung von Giftstoffen, die von genmanipulierten Pflanzen selbst produziert werden, und unmittelbar für die menschliche Gesundheit durch Verwendung von gentechnisch veränderten Pflanzen zur Fütterung von Tieren, aus denen tierische Lebensmittel hergestellt werden.

Sie sagen eine schleichende Kontamination der Äcker, Umwelt und Ernten voraus – die Fälle, bei denen sich veränderte Gensequenzen illegal verbreiten (zum Beispiel durch Pollenflug), häufen sich. Die Ursachen des Hungers werden von ihnen an der ungerechten Verteilung der vorhandenen Ressourcen festgemacht und sie weisen daraufhin, dass sich die Abhängigkeit von den Agrokonzernen, die ein absolutes Monopol auf die Saatgutproduktion anstreben, erhöhen wird.

Mehr Infos unter:

www.keine-gentechnik.de
www.greenpeace.ch/de
www.gen-ethisches-netzwerk.de

Kritische NGOs und Bauernverbände aus der so genannten Dritten Welt wie Via Campensina haben die aktuellen Themen im Zusammenhang mit grüner Gentechnik (Patentierung, Biopiraterie, Ernährungssicherheit, Verbraucherschutz, Macht der Agroindustrie, Biokraftstoffe) in die Öffentlichkeit getragen. Parteienunabhängige Kampagnen richten die Aufmerksamkeit auf die internationalen Handelsregime und auf die Macht- und Profitinteressen der Agroindustrie. Radikalere Gruppen besetzen und zerstören Anbauflächen von genmanipulierten Pflanzen und thematisieren das „Herrschaftspotenzial der Gentechnik“. Nur wenige beteiligte Wissenschaftler/innen und Unternehmen führen und begleiten die öffentliche Auseinandersetzung. Von ihren Kritikern/innen wird ihnen deshalb der Vorwurf gemacht, sie würden die wirklichen Interessen der Agroindustrie verschweigen.

Mehr Infos unter:

www.eed.de
www.etcgroup.org
www.grain.org
www.gentechnologie.ch

Gesetzliche Regelungen für Grüne Gentechnik

Seit 2004 besteht innerhalb der Europäischen Union (EU) eine Kennzeichnungspflicht für genetisch veränderte Produkte, auch dann wenn die Veränderung im Endprodukt nicht mehr nachweisbar ist (ausgenommen hiervon sind unter anderem Fleisch, Eier, Milchprodukte, ebenso Zusatzstoffe und Aromen). Eine Kennzeichnung von Pflanzen muss auch nicht erfolgen, wenn der Anteil des veränderten Materials der gesamten Pflanze unter 0,9% Gewichtsprozent liegt.

Das deutsche Gesetz zur Regelung der Gentechnik (GenTG) von 1990 umfasst Vorgaben zu Sicherheitsstufen und -maßnahmen, Genehmigung und Anmeldung gentechnischer Anlagen, Genehmigungsvoraussetzungen und Haftungsfragen. Am 25. Januar 2008 verabschiedete der Bundestag die neueste Novelle. Erstmalig wird nun der Abstand zwischen Anbauflächen mit GVO und herkömmlichem Saatgut geregelt. Vorgesehen ist ein Abstand von 150 Metern zwischen Gen-Maisflächen und herkömmlichen Äckern.

Die Eigentümer/innen der Anbauflächen müssen über die Aussaat von GVO nicht informiert werden und haben während laufender Pachtverträge keine Möglichkeit, den Anbau zu unterbinden. Haftungsansprüche durch Schäden durch genveränderte Organismen sind jedoch nicht geregelt. Die völkerrechtlichen Grundlagen für den weltweiten Umgang mit gentechnisch verändertem Material, dem grenzüberschreitenden Handel ist das Cartagena-Protokoll, das internationale Protokoll über biologische Sicherheit, das 2003 in Kraft trat. Das Vertragswerk soll verhindern, dass GVO ohne Wissen und Genehmigung staatlicher Stellen grenzüberschreitend gehandelt werden.

Mehr infos unter:

www.transgen.de
www.eu-koordination.de
www.cartagena.de

Engagement gegen kommerzielle Interessen

Die mächtigen Agro-Konzerne versuchen oftmals unter Umgehung der nationalen Gesetzgebungen ihre Profite zu realisieren. Firmeninteressen stehen dann im Gegensatz zu den Interessen der meist armen Landbevölkerungen: „Es gibt nur eine Zukunft für uns, wenn die multinationalen Konzerne endlich aus Brasilien verschwinden“, sagt Jonas Gomes de Queiroz von der Bewegung der Landlosen (MST) aus dem Bundesstaat Paraná in Brasilien. Der Schweizer Agrarkonzern Syngenta führt dort auf einem 127 Hektar großen Gelände weiterhin Versuche mit genmanipuliertem Mais und Soja durch, obwohl die brasilianische Umweltbehörde 2006 entschied, dass die Versuche illegal sind.

Das internationale Koalitionen etwas bewirken können, zeigt der Fall der Beantragung eines Verfahrens zur Herstellung eines biologischen Wirkstoffes aus dem Öl des Neem-Samens (der Neem-Baum ist ursprünglich im indischen Subkontinent heimisch) durch die US-amerikanische Firma W.R. Grace und das US-Landwirtschaftsministerium im Jahr 1991. Durch die Zusammenarbeit von NGOs konnte die „Erfindung“ zehn Jahre später gestoppt werden. Die Trägerin des alternativen Nobelpreises Dr. Vandana Shiva aus Indien sagt dazu: „Dieses ist … ein Sieg von engagierten Bürgern über kommerzielle Interessen und große Mächte.“

Mehr infos unter:

www.mstbrazil.org
viacampesina.org
www.evb.ch/p63.html