Rüdiger Siebert
Indien nordwärts.
Von Kerala bis Gujarat. Reisereportagen
Horlemann Verlag, Bad Honnef 2007,
252 Seiten, 14,90 Euro
Als regelmäßiger Besucher Indiens kann Rüdiger Siebert den Prozess der Globalisierung aus eigener Erfahrung nachvollziehen. Dadurch ist er in der Lage, die Wirkungen kenntnisreich und reflektiert, einfühlsam und unterhaltsam zu beschreiben. Sein Buch „Indien nordwärts“ lädt ein, sich auf den faszinierenden Subkontinent und seine Bevölkerung einzulassen.
Das Buch bildet den Abschluss einer Annäherung in drei Teilen. „Unterwegs mit Buddha“ ist den geistigen Fundamenten des Landes gewidmet, „Indien südwärts“ beschreibt die Entstehung des Subkontinents und seine Ausstrahlung auf Südostasien. Der dritte Teil führt aus der fremdbestimmten jüngeren Geschichte der Kolonisierung in die sich rasant verändernde Gegenwart.
Schauplätze der 20 Reisereportagen sind unter anderem Trivandrum, die Hauptstadt des südwestlichen Bundesstaates Kerala, die Backwaters, Bangalore, Goa, Mumbai und das im nordwestlichen Bundesstaat Gujarat gelegene Diu. Die Texte werden nicht kommentarlos aneinandergereiht, sondern behutsam zu einem bunten Mosaik des modernen Lebens gefügt. Die Menschen, denen wir begegnen – etwa Moni, der Besitzer eines kleinen Touristenrestaurants an einem der bekanntesten Strände Keralas, Mr. Harikumar aus der IT-Metropole Bangalore oder die Gewürzhändlerin Ramina aus Diu -, werfen Fragen nach der Identität, Geschichte und Zukunft der Menschen an der Westküste auf.
Siebert begibt sich immer wieder auf historische Spurensuche. Lange bevor Frankreich, England und Portugal sich der „Gewürze und der zu missionierenden Heiden wegen ins Geschäft einmischten“, wurde von der Westküste Indiens aus ein aus heutiger Sicht global zu nennender Handel mit dem „fernen Rom“ betrieben. Diese reiche Tradition ist noch heute im Alltag lebendig.
Dem Buch kommt zu Gute, dass sich Siebert mehrere Monate Zeit genommen hat, um Indien in seiner „Faszination, kulturellen Vielfalt und unterschiedlichen Dynamik“ zu erschließen. Um Machtverhältnisse aufspüren zu können, müssen die Alltagsgeschichten der Menschen Gehör finden. Dies setzt voraus, dass Zeit zum Hören und Verstehen und gegenseitiges Vertrauen vorhanden sind.
Jürgen Weber