Stoppt die EPA! Zum fünften Jahrestag des Beginns der Verhandlungen über die Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Kommission und den AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik) rufen weltweit Organisationen und soziale Bewegungen auf, die Verhandlungen auszusetzen.
Das Bündnis ist breit: Mehr als 100 Organisationen aus 38 Ländern gehen heute auf die Straße. Geplant sind unter anderem Demonstrationen in Kenia, Senegal, Uganda, Belgien, Dänemark, Frankreich Portugal und Deutschland. „Diese Freihandelsabkommen zerstören unsere Wirtschaft“, war die einhellige Meinung der Konferenzteilnehmer, die sich Anfang September in Ghana auf Einladung des „Africa Trade Network“ (ATM) trafen. Das Netzwerk ist ein Zusammenschluss der wichtigsten handelspolitischen Nichtregierungsorganisationen sowie einer Vielzahl von Basisorganisationen.
Sie arbeiten gegen die Zeit, denn schon zum Ende dieses Jahres sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein. „Die afrikanischen Regierungen haben nichts zu verlieren, wenn sie die Verträge nicht unterzeichnen! Die Europäische Kommission muss aufhören, auf unsere Regierungen Druck auszuüben“, so ATM. Es seien von Seiten der EU sogar konkrete Bestechungsversuche gemacht worden, indem im Falle von Vertragsunterzeichnung höhere Entwicklungshilfe angeboten wurde.
Auch in Europa fordern zahlreiche Organisationen von ihren jeweiligen Regierungen, die Verhandlungen auszusetzen und der EU-Kommission das Mandat zu entziehen. In Berlin ruft unter anderem Attac zu Aktionen auf. Das globalisierungskritische Netzwerk ist Mitglied der internationalen „StopEPA-Kampagne“, eines Netzwerks von über 200 Gruppen aus Gewerkschaften, kirchlichen und entwicklungspolitischen Gruppen sowie Nichtregierungsorganisationen (NRO). „Die Abkommen hätten verheerende Auswirkungen für die AKP-Staaten. Sie bedeuten weitere soziale Ungleichheit und einen dramatischen Abbau demokratischer Spielräume“, erklärt Frauke Banse von der Attac-Projektgruppe.
Mit den Abkommen wolle die EU die AKP-Länder nicht nur zwingen, ihre Märkte für Produkte aus den EU-Staaten zu öffnen und Importzölle zu senken. Sie versuche auch, Investitionen, Wettbewerb, öffentliches Beschaffungswesen und Dienstleistungen weiter zu liberalisieren sowie geistige Eigentumsrechte auszudehnen. Das gefährdet die Ernährungssicherheit in den AKP-Staaten und zieht den Zusammenbruch lokaler und nationaler Produktionszweige nach sich.
„Es gibt realistische und armutsorientierte Alternativen zu EPA, allein der politische Wille fehlt, um diese im EU-Ministerrat umzusetzen“, sagt Michael Frein vom Evangelischen Entwicklungsdienst. Es sei von Seiten der EU entwicklungspolitisch kontraproduktiv, angesichts der Fülle ungelöster Fragen auf einem Abschluss der EPA-Verhandlungen bis Jahresende zu beharren.
Während in den afrikanischen Staaten der Protest hauptsächlich von sozialen Bewegungen getragen wird, setzen sich in Europa in erster Linie nichtstaatliche Organisationen und kirchliche Gruppen für ein Ende der Verhandlungen ein. Auf dem Weltsozialforum in Nairobi zu Beginn dieses Jahres sah man an jeder Ecke Plakate und Aufrufe gegen die Freihandelsabkommen. In der europäischen Kampagne StopEPA setzte man eher auf den Dialog mit den Institutionen. Auch in Deutschland ist es in den fünf Jahren nicht gelungen, den Widerstand auf eine breite Basis zu stellen.
Südafrikas bittere Erfahrungen
Mehr Schaden als Nutzen durch EU-Abkommen
Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Südafrika gilt als Modell für die geplanten Abkommen mit den AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik). Vier Jahre lang hatte Südafrika mit der Europäischen Union (EU) über ein Freihandelsabkommen verhandelt. 1999 war es unterschriftsreif. Bis 2012 soll, so das Abkommen über Handel, Entwicklung und Zusammenarbeit (TDCA), beinahe der gesamte Handel zwischen den beiden Vertragspartnern liberalisiert werden. Während die EU ihre Türen für mehr als 95 Prozent der Importe öffnet, hat sich Südafrika verpflichtet, rund 86 Prozent seines Handels zu liberalisieren. Dieses Abkommen gilt auch als ein Modell für die gegenwärtig laufenden Verhandlungen zum Abschluss von Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) mit den AKP-Staaten.
Wirtschaftswissenschaftler kritisieren daher in der Auseinandersetzung um die EPA, dass die Chancen und Risiken der bestehenden Freihandelsabkommen – wie im Fall Südafrika – in ihrer Wirkungsweise ungenügend analysiert wurden. „Wenn sie die Erfahrungen Südafrikas mit seinem TDCA-Freihandelsvertrag in den letzten sechs Jahren betrachten und das vergleichen mit dem, was sie als AKP-Gruppe mit dem Cotonou-Abkommen (dem EPA-Vorläufer, d. Red.) im selben Zeitraum erreichen konnten, wird deutlich: Das aktuelle Handelsabkommen ist eindeutig günstiger als das, was vom Freihandel zu erwarten ist“, schreibt Gottfried Wellmer in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „afrika-süd“. „Nach den Angaben der Europäischen Kommission steigerten sich zwischen 2000 bis 2005 die EU-Importe aus den AKP-Staaten um durchschnittlich 4,2 Prozent im Jahr, während die Freihandelsimporte aus Südafrika sich jährlich nur um 2,6 Prozent steigerten.“ In der verarbeitenden Industrie sind die Zahlen noch ernüchternder: Hier steigerten die AKP-Staaten ihre EU-Exporte jährlich um 5,5 Prozent, Südafrika jedoch nur um 0,7 Prozent. Südafrika bleibt also wie andere afrikanische Staaten in erster Linie Rohstofflieferant. Der erhoffte Wirtschaftsmotor „Liberalisierung“ erwies sich bereits nach fünf Jahren als Trugschluss. In der Folge bauen Unternehmen massiv Arbeitsplätze ab.
Die EU drängte in Südafrika auch auf zunehmende Privatisierung im Dienstleistungssektor. In Johannesburg wurden die Betroffenen längst selbst aktiv. So wird der Versuch der Wasserkonzerne, die von Siemens hergestellten Pre-Paid-Zähler durchzusetzen, wegen massiver Proteste immer wieder unterbrochen. Aktivisten des Anti-Privatisierungsforums kämpfen in Südafrika besonders gegen die Liberalisierung der Grundversorgung: Strom, Wasser und Telekommunikation sind privatisiert und versorgen längst nicht alle Teile der Bevölkerung. Die Erfahrungen in Südafrika zeigen, was EPA-Kritiker befürchten: die Freihandelsabkommen schaffen weitere soziale Ungleichheit, statt sie abzubauen.