Berliner Kampagne gegen Hartz IV legt Alternativkonzept vor
„Ein-Euro-Jobs ersetzen“ fordert die Berliner Kampagne gegen Hartz IV und legt ein Konzept vor, wie das gehen soll.
Finanzielle Mittel und Arbeit umzuverteilen, heißt der Vorschlag der Berliner Kampagne gegen Hartz IV. Statt Ein-Euro-Jobs will die Kampagne mit den Mitteln, die jetzt in Arbeitslosengeld (ALG) II und Ein-Euro-Jobs (MAE) fließen, sozialversicherungspflichtige Teilzeitjobs einführen. Diese würden mit 940 Euro im Monat netto vergütet und eine Wochenarbeitszeit von 20 bis 25 Stunden umfassen. „Man soll sich während der Förderung auch um das Danach kümmern können. Ein-Euro-Jobber mit 30 Stunden und mehr haben dazu keine Zeit“, erklärt Kampagnenmitarbeiterin Solveig Koitz.
Die Stellen wären auf eineinhalb Jahre befristet, um eine gründliche Einarbeitung zu ermöglichen. Die veranschlagten 940 Euro für die Arbeitnehmer ergeben sich aus der Summe von Mitteln für ALG II, MAE und Vergünstigungen für Erwerbslose. Anders als bei den Ein-Euro-Jobs soll bei der Vergabe absolute Freiwilligkeit herrschen, die Erwerbslosen würden sich die Stellen selbst suchen. Sanktionen von Seiten des JobCenters sind nicht vorgesehen.
Ein Gremium müsste eingerichtet werden, das entscheidet, welche Art von Jobs auf diese Weise förderungswürdig seien, so die Kampagne. Dabei sollten keine bestehenden Stellen ersetzt oder gefährdet werden, was natürlich hier wie auch bei den Ein-Euro-Jobs nur bedingt garantiert werden kann. „Uns ging es darum zu zeigen, das ein Ersetzen der Ein-Euro-Jobs sofort möglich ist“, sagt Angelika Wernick von der Kampagne gegen Hartz IV.
Tatsächlich umsetzbar wäre das Konzept bei der derzeitigen Gesetzeslage aber bestenfalls als regionales Pilotprojekt. „Bundesweit wäre eine Änderung der Bundeshaushaltsordnung notwendig“, so Koitz. Alleine ist die Kampagne mit ihrem Vorschlag nicht. So vermittelt das JobCenter in Berlin-Mitte nicht mehr in MAEs, sondern in das Programm „Regionale Beschäftigung Mitte“. Bei einem Bruttolohn von 1150 Euro und einer 38,5 Stundenwoche würden lediglich befristete Stellen im Niedriglohnbereich geschaffen, so die Kampagne. Da die Maßnahme auf elf Monate beschränkt bleibt, entsteht zudem trotz der Sozialversicherungspflicht kein Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Kampagne kritisiert außerdem, dass der Zwangscharakter erhalten bleibt. Auch das Diakonische Werk will mit seinem Konzept „Passiv-Aktiv-Transfer“ Ein-Euro-Jobs durch sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse ersetzen. Die Diakonie möchte vor allem Möglichkeiten für schwer vermittelbare Menschen schaffen. Es soll ein Mindestlohn von 7,50 Euro gezahlt werden.
Die Kritiker der Ein-Euro-Jobs haben durch einen aktuellen Forschungsbericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung neue Argumente bekommen. Zwar werden von den Autoren positive Effekte für die Ein-Euro-Jobber selbst gesehen, sie kommen aber zu dem Schluss, dass sich die Arbeitsgelegenheiten nicht „als Brücke in den ersten Arbeitsmarkt“ gezeigt hätten. Die befragten Betriebe planten, nur zwei Prozent der Zusatzjobber zu übernehmen. Zudem ist das Kriterium der Zusätzlichkeit fragwürdig. Vier Prozent der Betriebe gaben an, Personal eingespart zu haben, ein Fünftel setzte die Ein-Euro-Kräfte für Vertretungen im Urlaubs- und Krankheitsfall ein, obwohl dies gesetzlich nicht erlaubt ist.
Hartz-IV-Gegner kritisieren die Ein-Euro-Jobs jedoch nicht nur wegen ihrer geringen beschäftigungspolitischen Effekte, sondern als eine menschenunwürdige Zwangsmaßnahme. Zwar melden sich gerade bei freien Trägern im sozialen Bereich häufig Freiwillige, die dort eine MAE-Stelle antreten möchten. Allerdings resultiert diese Freiwilligkeit häufig aus der Angst vor Kürzungen der Bezüge und davor, vom JobCenter in eine beliebige Maßnahme gesteckt zu werden. Für den Soziologen Thomas Meese verstößt die Bundesregierung mit den Ein-Euro-Jobs gegen internationale völkerrechtsverbindliche Abkommen. Der ehemalige Ein-Euro-Jobber klagt zur Zeit auf Entschädigung wegen der Verpflichtung zur Zwangsarbeit.