Flüchtlingsorganisationen protestierten gegen Abschiebe-Praxis
„100 Tage und kein Bleiberecht“ lautete das Motto des bundesweiten Aktionstages, zu dem vergangenen Sonnabend die Kampagne „Hier geblieben“ in Berlin aufrief. Mit 100 Stühlen, die auf dem Pariser Platz aufgestellt wurden, rief das Bündnis, dem Pro Asyl, Flüchtlingsrat Berlin, GEW Berlin, das GRIPS-Theater und die Gruppe Jugendliche ohne Grenzen angehören, zu einer hundertminütigen Sitzung auf.
„Flüchtlinge werden sitzen gelassen“, lautete die Botschaft, mit der die Gruppen darauf aufmerksam machen wollen, dass die verantwortlichen Politiker das Problem aussitzen wollen, um noch möglichst viele Menschen abzuschieben. Um dies darzustellen, setzten sich 100 Menschen auf die leeren Stühle, palaverten wild herum. Erst die Aufforderung über den Lautsprecher, „und jetzt sollt ihr mal so abstimmen, wie Flüchtlingsorganisationen es sich wünschen“, führte zu einem eindeutigen Votum: Hundert Arme gingen gegen Abschiebungen und hundert für ein bedingungsloses Bleiberecht in die Höhe.
Genau vor hundert Tagen verabschiedeten die Innenminister der Länder in Nürnberg den „Bleiberechtsbeschluss“. Er beinhaltet bestimmte Fristen, bis zu denen Flüchtlinge nach Deutschland eingereist sein müssen, um dauerhaft hier bleiben zu dürfen. Sie müssen über gültige Personaldokumente verfügen, einen Arbeitsplatz nachweisen können, mit dem sie für den Unterhalt für sich und ihre Familien aufkommen können, sowie über ausreichend Wohnraum verfügen. Des Weiteren dürfen sie oder Teile ihrer Familien keine Straftaten begangen haben und müssen über gewisse Deutschkenntnisse verfügen.
„Eines der großen Probleme ist, dass alte und kranke Menschen sowie Menschen, die nicht arbeiten können, aus dieser Regelung komplett herausfallen. Das sind Leute, die seit zehn oder fünfzehn Jahren in Deutschland leben, nie arbeiten durften und jetzt ohne ihre Familien einfach abgeschoben werden sollen“, kritisierte Rita Kantemir-Thomä vom Flüchtlingsrat Berlin. Ein gesetzlicher Bleiberechtsbeschluss ohne starre Fristen, der es langjährig in Deutschland lebenden Flüchtlingen ermögliche, in Deutschland zu bleiben, müsse dringend umgesetzt werden.
In Berlin wurden bisher rund 1600 Anträge auf Bleiberecht gestellt. Davon erhielten nur 24 Menschen eine Aufenthaltserlaubnis.