Auftakt einer Veranstaltungsreihe über solidarische Ökonomie
Solidarisches Wirtschaften ist auch im Kapitalismus möglich. Allein in Brasilien gibt es 15 000 Gemeinbetriebe.
Über die solidarische Ökonomie in Brasilien informierte am Freitagabend eine Veranstaltung in den Räumen des Forschungs- und Dokumentationszentrums Chile-Lateinamerika (FDCL) in Berlin. Es war der erste Vortrag im Rahmen einer Info-Tour, die den Kongress „Solidarische Ökonomie“ Ende November vorbereiten soll. Insgesamt zehn ReferentInnen aus Afrika, Asien und Lateinamerika touren in den kommenden vier Wochen durch Deutschland, um Konzepte und Projekte alternativen Wirtschaftens vorzustellen.
Den Auftakt machte Rosangela Alves de Oliveira, die seit 1988 in unterschiedlichen brasilianischen sozialen Bewegungen aktiv ist und seit einem Jahr in Kassel promoviert. „Eine andere Ökonomie gibt es schon“, so die vielversprechenden Eröffnungsworte der Referentin. Derzeit gebe es etwa 15 000 solidarisch wirtschaftende „Gemeinbetriebe“. Solidarisch wirtschaften bedeute faire Arbeitsbedingungen und Selbstorganisation, Rücksicht auf Natur und Umwelt, Solidarität und Kooperation. „Wir verstehen die solidarische Ökonomie als eine Ausdrucksform der Arbeiterinnen und Arbeiter, die nach Alternativen suchen, welche ihr Überleben garantieren und die gleichzeitig ein Instrument für die soziale Veränderung in der Perspektive einer sozialistischen Gesellschaft darstellen. Das Volk, das im eigenen Tun lernt, sich selbst zu leiten und sein eigener Protagonist zu sein, wird es ermöglichen, eine andere Gesellschaft zu implementieren“, so die Überzeugung von Rosangela Alves de Oliveira.
Neben den Betrieben existiert in Brasilien ein beeindruckendes Instutionen-Netz solidarischer Ökonomie, bestehend aus Gewerkschaften, der Landlosenbewegung, Förderungsorganisationen sowie Staatssekretären für solidarische Ökonomie. Ein Beispiel ist der ökologische Markt im nordöstlichen Bundesstaat ParaÃba. Im Jahr 2001 schlossen sich etwa 60 landlose Kleinbauern zusammen; viele von ihnen waren ehemalige Arbeiter von Zuckerrohrplantagen. Mit Hilfe eines Kredits der Caritas konnten gemeinschaftliche Anschaffungen wie Marktstände und Kisten getätigt werden. Verkauft werden lediglich ökologische Produkte, was in Brasilien eher unüblich ist. Die Bauern organisieren Treffen, um sich auszutauschen und der Selbstorganisation eine Struktur zu geben. So gibt es einen Schatzmeister und einen Schriftführer sowie einen Ethikrat, der die Einhaltung der selbstgeschaffenen Spielregeln überwacht. Von ihrem erwirtschafteten Gewinn zahlen alle Bauern fünf Prozent in die Gemeinschaftskasse. Das Geld wird für die Tilgung des Kredits und für gemeinschaftliche Anschaffungen verwendet.
Ein Projekt, das Mut macht: Anders wirtschaften ist möglich!