US-Bezirksgericht nimmt Coca-Cola gegen Gewerkschaft in Schutz
Ein Bezirksgericht im US-Bundesstaat Florida hat eine Klage der kolumbianischen Lebensmittelgewerkschaft Sinaltrainal abgewiesen, die eine Mitverantwortung des Weltkonzerns für die seit Jahren anhaltende Gewaltwelle gegen deren Mitglieder und Funktionäre feststellen sollte. Coca-Cola nimmt das Urteil zum Anlass, sich als mitarbeiterfreundlich darzustellen.
Seit über zehn Jahren ist die kolumbianische Nahrungsmittelgewerkschaft Sinaltrainal das Ziel brutaler Verfolgung durch paramilitärische Gruppen. Allein in Coca-Cola-Abfüllanlagen wurden neun aktive Mitarbeiter ermordet. Bis heute blieben die Morde und alle anderen Gewalttaten ohne Konsequenz. Jetzt hat das Bezirksgericht Florida Süd die letzte anhängige Klage von Sinaltrainal abgewiesen. In dem fünf Jahre dauernden Verfahren sollte an vier Fällen die Mittäterschaft des Konzerns an der paramilitärischen Repression festgestellt werden.
Sinaltrainal kündigt neue Klagen an
Auch der Mord an Isidro Gil, der bis heute internationales Aufsehen erregt, war Gegenstand der Verhandlung. Gil wurde als Vertreter der Belegschaft während harter Tarifverhandlungen in der Abfüllanlage in Carepa umgebracht. Vier Tage später wurden alle Sinaltrainal-Mitglieder der Abfüllanlage von Paramilitärs auf dem Werksgelände gezwungen, aus der Gewerkschaft auszutreten. Zudem wurde das lokale Gewerkschaftshaus in Brand gesteckt: das Ende von Sinaltrainal in Carepa.
Doch für das Bezirksgericht im fernen Florida waren die Anschuldigungen „zu unbestimmt und nicht erhärtet genug“, die Klagen wurden abgewiesen. Für Thomas Schultz, Pressesprecher des DGB Saar und intimer Kenner der kolumbianischen Verhältnisse, ist das Urteil keine Überraschung: „Ich bezweifle, ob die Morde der Coca-Cola-Company überhaupt in einem strafrechtlich-juristischen Sinne nachweisbar sind. Schuldig hat sich der Konzern in jedem Falle gemacht. Immerhin hat Coca-Cola ein Jahrzehnt lang alles getan, um die Untersuchungen zu bremsen oder zu verhindern.“
Während Sinaltrainal jetzt neue Klagen ankündigt, nimmt Coca-Cola das Gerichtsurteil zum Anlass, sich als guter Arbeitgeber darzustellen. In der Presseerklärung von Coca-Cola Deutschland heißt es: „Wir sind offen für Gespräche mit allen, die bereit sind, sich im Hinblick auf konstruktive Lösungen für Arbeitsplatzfragen in Konfliktgebieten weltweit zu beteiligen.“
Was diese „konstruktiven Lösungen für Arbeitsplatzfragen in Konfliktgebieten“ für die Arbeitnehmer bedeuten, beschreibt ein Sinaltrainal-Mitglied so: „Anfang der 90er Jahre arbeiteten in den verschiedenen Coca-Cola-Niederlassungen Kolumbiens etwas über 10 000 Arbeiter, sie verfügten alle über unbefristete Verträge und ein durchschnittliches Einkommen von 600-700 US-Dollar. Heute (…) haben nur noch etwa 2500 Arbeiter Verträge von Coca-Cola, aber nur 500 davon feste Verträge, weitere 7500 sind über Subunternehmer beschäftigt. Ihr durchschnittliches Monatseinkommen beträgt nur noch etwa 150 US-Dollar.“
Untersuchung lässt auf sich warten
Bei Coca-Cola hat sich zumindest in Übersee bis heute an der mitarbeiterfeindlichen Politik nicht viel geändert. Das zeigt der Umgang mit den ermordeten Coca-Cola-Gewerkschaftern. Nach medienwirksamen Protestaktionen im Vorfeld der Olympischen Winterspiele in Turin wurde einer unabhängigen internationalen Kommission zur Aufklärung des Mordes an Isidro Gil zwar zugestimmt, doch ist sie bis heute nicht eingesetzt. Zudem ist entgegen den damaligen Zusagen Sinaltrainal nicht als Delegationsmitglied erwünscht und bleibt ohne Einfluss auf die Zusammensetzung der Kommission.
Immerhin hat die internationale Anteilnahme dazu geführt, dass mehrere US-amerikanische Universitäten Coca-Cola-Produkte boykottieren – an einigen deutschen Hochschulen wird darüber nachgedacht. Auch deutsche Gewerkschafter nehmen Anteil an der unendlichen Geschichte. So hat der Saarländische Landesverband der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) – und damit auch der DGB Saar – das Sinaltrainal-Mitglied Edgar Paez 2003 als Ehrenmitglied aufgenommen. Paez ist im Oktober zu Besuch in Deutschland und informiert in mehreren Städten über die Lage.
Von Bärbel Schönafinger und Jörn Hagenloch
Link: www.nd-online.de/artikel.asp?AID=98533&IDC=42&DB=O2P