Waschen, Föhnen, Schneiden, Färben: Ein Hundesalon in Neukölln hat mehr zu bieten als die klassische Pudelfrisur.
Bonsai trägt mintgrün. Diva sieht aus wie ein zu kleines Pony mit ihrer langen Mähne, den längeren Haaren an den Pfoten und dem ansonsten kurz rasierten Fell. Bonsai und Diva sind Pudel, das sieht auch der Laie auf den ersten Blick. Dennoch ist ihr Äußeres ungewöhnlich. „Ich habe es mir auf die Fahne geschrieben, nicht nur den klassischen Pudelschnitt zu schneiden“, erklärt Silke Willumeit das Aussehen ihrer Hunde. In ihrem Salon ist fast alles möglich. Hunde aller Rassen werden hier gewaschen, geföhnt und geschoren. Und eben auch gefärbt, mit Lebensmittelfarben aus dem Konditoreibedarf.
Seit fast 20 Jahren betreibt Silke Willumeit zusammen mit einer Freundin den Hundesalon Wolter in der Sonnenallee 153 im Stadtteil Neukölln. Sie selbst besitzt sieben Pudel, die sie meist alle zur Arbeit begleiten dürfen. Hinter einem ein Meter hohen Holzgitter im hinteren Teil des Salons halten sie sich auf. Etwas Mut ist erforderlich, um sich zu ihnen hineinzuwagen. „Ganz ruhig, suchen Sie sich einen Platz“, ermutigt Silke Willumeit. Die Tiere sind aufgeregt, springen hoch und kläffen – Pudel in schwarz, weiß, rosa, türkis und mintgrün und mit den unterschiedlichsten Frisuren.
Im vorderen Teil des Salons gibt es diverse Artikel für Hunde zu kaufen. Regenponchos, Wärmedecken in verschiedenen Designs, Leckerbissen und Spielzeug. Auf dem Frisiertisch sitzt Bärchen, ein so genannter Kundenhund. Er bekommt die Frisur „Pudel klassisch“. Die Saloninhaberin hat ihn erst gewaschen, dann sorgfältig „ausgeföhnt“. Nun wird Bärchen frisiert. Mit einem speziellen Hunderasierer kürzt die Friseurin das Haupthaar. Für das Fell unter den Pfoten und die Haare um Augen und Schnauze benutzt sie unterschiedliches Schurbesteck. Bärchen ist artig. Die Hundedame ist nicht zum ersten Mal hier und kennt die Prozedur. Dennoch wird sie, wie alle Hunde, beim Waschen und Schneiden angeleint. „Die Gefahr, dass sie mir hier vom Tisch fallen und sich die Knochen brechen, ist sonst zu groß“, sagt die erfahrene Hundefriseurin. Sie arbeitet prinzipiell nur in Abwesenheit des Herrchens oder Frauchens, das sei einfacher für die Hunde. Vorher wird der Schnitt besprochen, und nach vier bis fünf Stunden können die Tiere wieder abgeholt werden.
Hundefriseurin ist in Deutschland kein Lehrberuf. In den USA und Großbritannien hingegen kann man sich auf so genannten Groomerschulen ausbilden lassen. Auf dem Lehrplan stehen das Fachwissen über professionelle Hundepflege und Fähigkeiten, die sich an den Standards der internationalen Schermeisterschaften orientieren. Weiterführende Kurse mit den Schwerpunkten „Artistik und Expression“ sowie „Ausdruck und künstlerische Gestaltung am Profil“ vermitteln Profi-Wissen. Silke Willumeit hat nie eine Groomerschule besucht, sondern das Frisieren von einer Freundin gelernt, die eine Ausbildung in Großbritannien absolvierte.
Das Telefon klingelt. Die Hunde kläffen wieder und springen auf den wenigen Quadratmetern herum. Nur Bonsai liegt zusammengerollt wie ein mintgrünes Wollknäuel in einem Hundekorb und schläft. Ein neuer Kunde soll vorbeigebracht werden. Sein Frauchen weist darauf hin, dass der Hund manchmal beißt. Für die Friseurin ist das kein Problem: „Mit Geduld und Spucke geht das hier alles.“ Doch über den Preis könne sie am Telefon nur eine ungefähre Aussage machen. Sie müsse den Hund schon sehen. Mindestens 20 Euro kostet ein Schnitt inklusive Waschen und Föhnen, je nach Größe des Hundes und Aufwand des Schnittes. Färben kostet extra, ebenfalls abhängig von der Größe des Tiers.
Oft werde sie auf der Straße als Tierquälerin beschimpft, wenn sie mit einem ihrer bunten Hunde spazieren gehe, berichtet Silke Willumeit. Sie sieht die Sache ganz anders. „In der Natur gibt es Pudel in elf verschiedenen Farben. Ich füge einfach noch ein paar Farben hinzu“, sagt sie strahlend. Sie ist sichtlich stolz auf ihre gepflegten Pudel. Der mittelgroße, rosa gefärbte sei sogar schon einmal im Fernsehen mit Iris Berben aufgetreten. Die Besitzerin des Hundesalons ist davon überzeugt, dass es den Hunden Wurst ist, ob sie mit farbigem Fell durch die Straßen laufen oder nicht. Charakter und Farbe sollen dennoch zusammenpassen, glaubt die Friseurin. Die Hunde müssten es mögen, im Mittelpunkt zu stehen. Ein rosa Pudel errege eben mehr Aufsehen als ein gewöhnlicher schwarzer oder weißer. Ohnehin wagten es nur wenige ihrer Kunden, ein Tier vollständig einfärben zu lassen. Beliebter seien ein paar Strähnchen am Kopf oder ein bunter Schwanz.
Ralf Haake von der Tierschutzliga in Deutschland kennt die beiden Damen aus Neukölln, die den Hunden ein so außergewöhnliches Aussehen verleihen. „Im Prinzip ist es völlig unproblematisch, die Hunde einzufärben. Schließlich benutzen die ja Lebensmittelfarben“, sagt er. Beim Waschen vor dem Färben werde allerdings der natürliche Schutzfilm, der die Tiere vor Krankheiten schütze, entfernt. Das solle nicht „zum Dauerzustand“ werden. Ernsthafte Bedenken gegen ein paar bunte Strähnchen zu einem besonderen Anlass äußerte der Tierschützer nicht.
Generell scheint sich der Trend zur Farbe in den Berliner Hundesalons nicht durchzusetzen. Der Salon Wolter ist einer der wenigen, in denen die hohe Kunst des Hundehaarfärbens praktiziert wird. Die 63 im Berliner Branchenbuch verzeichneten Hundesalons werben meist ganz klassisch: „Waschen, föhnen, legen. Auch Problemhunde.“ Eine Friseurin aus einem Weddinger Hundesalon hält das Färben von Hunden für „unnötig“, die Betreiber anderer Salons geben zu, damit keine Erfahrung zu haben. Wieder andere berichten, die Nachfrage sei so gering gewesen, dass die Farben immer eintrockneten.
Für Hundebesitzerinnen und -besitzer, die Wert auf ein gepflegtes Äußeres ihres pelzigen Lieblings legen und die auf der Straße nicht schief angeguckt werden möchten, weil der Hund einen unmodernen Schnitt trägt, führt kein Weg am Hundesalon vorbei. Schon aus finanzieller Sicht gibt es keine Alternative. Denn das spezielle Frisierbesteck, das für die Schur der Vierbeiner benötigt wird, ist teuer. Rund 250 Euro kostet eine Schermaschine, die Fachleute für einen guten Schnitt empfehlen, ein Turbofön etwa 200 Euro. Trimmhacken für die Unterwolle, Entfilzungsspray sowie viele weitere Accessoires gehören zur Spezialausrüstung. Und allein der Besitz eines professionellen Bestecks garantiert ja noch längst keine ansehnliche Frisur des Vierbeiners.
Daher sollte man die verantwortungsvolle Aufgabe professionellen Hundefriseurinnen und -friseuren überlassen. Selbst im Hundesalon des Promi-Friseurs Udo Walz, der Ende vorigen Jahres in Berlin eröffnete, zahlt man für einen Trockenschnitt lediglich 35 Euro. Kommen Lockenwickler zum Einsatz, wird es natürlich teurer, von der bei Walz angebotenen Bachblütentherapie und diversen „Verwöhnprogrammen“ einmal ganz abgesehen.
Wieder geht die Ladentür im Salon Wolter auf. Gespannte Unruhe herrscht unter den bunten Pudeln. Der kleine Mischling, der die ganze Zeit schüchtern im Regal gesessen hat, wird abgeholt. Bei ihm war nichts mehr zu retten. Kurzhaarfrisur. Silke Willumeit zeigt der Besitzerin die verfilzte Matte, die sie abrasiert hat. „Wächst ja wieder“, tröstet sie.